© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/14 / 10. Januar 2014

Geschichte entsorgt
Namibia: Das berühmte Reiterdenkmal in Windhuk wurde in einer Nacht-und-Nebel-Aktion demontiert
Yorck Tomkyle

Plötzlich ging alles ganz schnell: Am späten Nachmittag des ersten Weihnachtstages riegelten starke Polizeikräfte ohne Vorankündigung sämtliche Zufahrtsstraßen zur Alten Feste in Windhuk ab. Lediglich ein Trupp asiatischer Arbeiter mit schwerem Gerät durfte den Polizeikordon passieren. Am Abend war es dann soweit. Das berühmte Reiterdenkmal vor der Festung wurde von seinem Sockel gesägt und dann mit einem Kran mitsamt der Gedenktafel in den Innenhof der Festung gehievt, der seitdem nicht mehr für Besucher zugänglich ist.

Die offenbar von höchster Stelle angeordnete Nacht-und-Nebel-Aktion ist der vorläufige Höhepunkt des jahrelangen Gezerres um das Reiterdenkmal, das zum Symbol für eine scharfe geschichtspolitische Kontroverse um Macht und Deutungshoheit und damit für den Umgang Namibias mit seiner Geschichte geworden ist.

Status eines Denkmals soll aberkannt werden

Die 4,50 Meter große Bronzefigur eines reitenden Soldaten der kaiserlichen Schutztruppe – als „Südwester Reiter“ ein Wahrzeichen Namibias und insbesondere in Katalogen deutscher Reiseveranstalter ein gerne abgebildetes Motiv – war am 27. Januar 1912, dem Geburtstag des Kaisers, vom deutschen Gouverneur Theodor Seitz zum ehrenden Andenken an die deutschen militärischen und zivilen Opfer der Herero- und Hottentottenfeldzüge 1903 bis 1907 feierlich eingeweiht worden und stand bis 2009 an prominenter Stelle zwischen Tintenpalast und Christuskirche.

Bereits kurz nach der Unabhängigkeit Namibias von Südafrika im Jahre 1990 flammte eine Diskussion darüber auf, wie mit dem kolonialen Erbe und dessen Symbol, dem Südwester Reiter, umzugehen sei.

Die SWAPO-Regierung veröffentlichte 2001 einen Plan, der den Bau eines Unabhängigkeitsmuseums vorsah – auf dem Platz, auf dem der Reiter stand. Ein Plan, was mit der Skulptur geschehen solle, wurde nicht entwickelt. Als das Bauvorhaben 2009 realisiert werden sollte, hatten die Verantwortlichen noch immer keine Lösung für die Reiter-Frage parat, so daß dem Denkmal die Zerstörung drohte.

Um das zu verhindern, fanden sich einige vornehmlich deutsch- und burischstämmige Bürger Namibias unter Führung von Harald Koch, dem Direktor im Windhuker Ministerium für ländliche Wasserversorgung, bereit, Spenden zu sammeln und Vorschläge für einen neuen Standort zu machen. Nach zähen Verhandlungen und Einwerben von heute etwa 50.000 Euro konnte das Denkmal ohne staatliche Unterstützung schließlich im Jahre 2010 an seinen neuen Standort vor der Windhuker Alten Feste versetzt werden.

Die Neu-Einweihung fand damals ohne offizielle Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland statt – auf Nachfrage gab der deutsche Botschafter, welcher zuvor terminliche Probleme vorgeschützt hatte, zu Protokoll: „Die Traditionen, die Sie vertreten, sind nicht die Traditionen der Bundesrepublik Deutschland. Solange Sie nicht die Zigtausenden von Hereros, Namas und Damaras einbeziehen, kann die deutsche Botschaft dort nicht erscheinen!“ Er übersah dabei allerdings, daß es in unmittelbarer Nähe der Skulptur bereits seit längerem auch an ihrem alten Standort Tafeln mit entsprechendem Inhalt gegeben hatte.

Die geschichtspolitische Kontroverse endete jedoch trotz des erzielten Kompromisses nicht.

Im vergangenen Jahr forderte Namibias Kulturminister Ekandjo vehement die Verlegung des Standbildes in den Innenhof der Feste; im Dezember 2013 gab der Denkmalrat Namibias bekannt, daß man dem Standbild den Status eines Denkmals aberkennen wolle.

Die heftige und emotional geführte Diskussion darüber war noch gar nicht in voller Schärfe entbrannt, als der amtierende Präsident des Landes, Hifikepunye Pohamba, offenbar beschloß, die Sache persönlich in die Hand zu nehmen und die Entfernung des Denkmals anordnete. Kurz zuvor hatte er erklärt, das Denkmal sei ein Zeichen des Sieges der deutschen Kolonialherren und müsse daher entfernt werden. Wenn die Deutschen es zurückhaben wollten, könnten sie es ja nach Deutschland holen.

Was die Regierung nach diesem Coup nun mit dem Denkmal vorhat, ist unklar. Möglicherweise will man vor weiteren Schritten zunächst abwarten, ob sich Widerstand formiert. Daß dieser aus Deutschland kommt, das auch 2013/14 über 77 Millionen Euro an Entwicklungshilfe leisten wird und diesbezüglich das wichtigste Partnerland Namibias ist, ist nicht zu erwarten.

Foto: Reiterstandbild und Gedenktafel im Innenhof der Alten Feste und im Originalzustand davor (r.): Keiner weiß, was nun geschieht

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