© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/14 / 10. Januar 2014

König Heinrich erinnert an den singenden Hund Killeny
Oper: Das Theater Vorpommern spielt Richard Wagners „Lohengrin“ in Stettin / Der Ritter tritt als Samurai auf / Ortrud ist kostümiert wie Kristina Söderbaum
Sebastian Hennig

Es ist bereits eine Sensation, wenn ein Haus von der Größe des Theater Vorpommern Richard Wagners „Lohengrin“ auf die Bühne hebt. In diesem Falle ist es zugleich eine Art Wiedervereinigung des vorpommerschen Musiklebens, da die Opery na Zamku in Stettin einbezogen ist. Deren Beitrag besteht in der Mitwirkung ihres Opernchores. So vollzog sich an den Adventswochenenden eine Tripel-Premiere in Stralsund, Greifswald und Stettin.

Der Regisseur Dirk Löschner, zugleich Intendant in Greifswald, präsentiert gemeinsam mit seinem Ausstatter Christopher Melching ein dramaturgisch und optisch wohlausgewogenes Bühnengeschehen. Aus den dreißiger Jahren sind vom Charleston-Kleid bis zum Frack nur die eleganten Kostüme zu sehen, keine politisch aufgeladenen Signale. Das Licht wird subtil zur Verstärkung der farbigen Wirkung eingesetzt.

Thomas Rettensteiner ist ein Telramund von hohen Graden, wenn auch der Zorn bei ihm die Verzweiflung überwiegt. Elena Suvorova als seine Gattin Ortrud ist kostümiert wie Kristina Söderbaum, ihr zur Seite stehen drei blonde Kinder. In der Verzweiflungsszene zu Beginn des zweiten Aktes stößt der Älteste sein Fahrtenmesser rhythmisch zur Musik auf den Boden.

Das Brautgemach gemahnt an ein Seemannsbordell

Den wunderbaren Ritter Lohengrin als Samurai darzustellen, mutet erst einmal als einer der weniger destruktiven, fast schon guten Einfälle an, wenn man einmal davon absieht, daß die romantische Oper „Lohengrin“ ihre besten Einfälle zur Darstellung bereits in sich trägt und nicht angeheftet braucht. Noch mit der geistreichsten Idee kann man schließlich dumm aus der Wäsche gucken, wenn man das Ende nicht bedenkt. Und am Ende zeigt bei Wagner auch dieses Denkmal der Ritterlichkeit einige menschliche Regungen, die mit der verspannten Eleganz des Nō -Theaters nicht mehr abzudecken sind. So gemahnt das Brautgemach am Ufer der Schelde eher an ein Seemannsbordell von Shanghai. Die farbenfrohe Unterkleidung des Samurai enttäuscht weit weniger als der Untergrund seiner stimmlichen Kraft.

Während der Einbruch des göttlich -Fremden in die bedrohte Ritterwelt von der Japonerie und der schmetternden Stimme noch gut abgedeckt wird, beginnt man sich ab der Brautnachtszene regelrecht zu fürchten vor der Gralserzählung. Junghwan Choi singt zweifellos richtig und laut, aber teilnahmslos wie eine Jukebox für Opernmelodien. Und Tye Maurice Thomas erinnerte in der letzten Szene weniger an den deutschen König Heinrich als vielmehr an Killeny, den singenden Hund. Seine an diesem Abend unhörbaren Fähigkeiten mögen ihren angestammten Platz in der Renaissance- und Barockmusik haben. Vom Extremismus des Wagnergesangs scheiden technische Erfordernisse, welche die schönste Stimme häßlich klingen lassen, wenn diese unterschätzt werden. Bevor der Lohengrin-Automat in Form einer schweinsledernen Schwarte den „Schützer von Brabant“ präsentiert („Führer“ darf er schon wieder einmal nicht heißen) gelangt zum Glück noch die fabelhafte Ortrud zum Ausbruch ihres finsteren Hasses.

Eine konfuse Pantomime mit Hinrichtung des Harlekins auf der Bühne (Wir kennen aus Cosimas Tagebüchern das Herumalbern im Hause Wagner um „Harlekin, du mußt ste-he-he-erben.“) erlöst die fehlgeleiteten Ansätze restlos in der Posse und enthebt den Zuschauer von der Aufgabe, noch irgend etwas verstehen zu müssen. So fallen mit dieser zirkushaften Konvulsion die hilflosen Mätzchen wie Schlacken von dem Erlebnis des Abends ab.

Zurück bleiben zwei erfreuliche Überraschungen: ein kleines Haus, welches für ein solch anspruchsvolles Unternehmen auf Ensemblemitglieder von erstaunlicher Leistungsfähigkeit zurückgreifen kann, mit der erwähnten Ausnahme, und ein Philharmonisches Orchester Vorpommern, das Wagner ungemein konturiert zu spielen versteht.

Die letzte „Lohengrin“-Vorstellung in der Oper Stettin, ul. Korsarzy 34, findet am 11. Januar um 19 Uhr statt. Telefon: 00 48 / 91 / 4 34 81 01 http://opera.szczecin.pl

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