© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/14 / 17. Januar 2014

Müll für die Opfer des Stalinismus
Linksextremismus: Luxemburg-Liebknecht-Demonstration nach der Gewalt in Hamburg
Lion Edler

Ein endloses rotes Fahnenmeer zieht sich über die Frankfurter Allee in Berlin, während am Horizont der Fernsehturm thront. Am vergangenen Sonntag ist die Verlängerungsstraße der Karl-Marx-Allee fest in der Hand von Kommunisten und Anarchisten. Ein bizarrer Zusammenschluß von alten SED-Nostalgikern und jungen „Antifaschisten“ will mit der Demonstration an die 1919 ermordeten Marxisten Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg erinnern. Nach Angaben eines Sprechers der Linkspartei, die die Demonstration unterstützte, zählte die Veranstaltung mehr als 10.000 Teilnehmer; die Polizei sprach von rund 8.000 Demonstranten.

„Luxemburg, Liebknecht, Lenin – Niemand ist vergessen!“, steht auf dem Plakat, das die Demonstration anführt. „Ich möchte Ihnen ein tolles Buch vorstellen“, sagt ein älterer Herr mit MLPD-Einkaufstüte ungefragt zu einem Passanten. Das „tolle Buch“ heißt „Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution“. Unterdessen schimpft ein Redner per Lautsprecher über staatliche Stellen, die den NSU „gedeckt“ hätten. Und über den Ersten Weltkrieg, der „losgetreten von Deutschlands herrschenden Eliten“ nur Leid und Tod, für die Kapitalisten aber „sprudelnde Profite“ gebracht habe. Auch heute sei die Kriegsgefahr wieder da, weshalb man die Bundeswehr und die Nato schleunigst auflösen müsse.

Allmählich setzt sich der Demonstrationszug in Bewegung. Flaggen der Linkspartei und der Gewerkschaften GEW und IG Metall wehen zwischen denen der MLPD, der DKP, der türkischen Kommunisten und der immer noch aktiven FDJ. Letztere hat erstaunlicherweise die Sprache des imperialistischen Feindes übernommen: „Revolution or World War III“, heißt es auf einem Transparent. Später folgt ein Antifa-Demonstrationsblock mit schwarzgekleideten und vermummten Jugendlichen, die Feuerwerkskörper zünden und Loblieder auf Stalin und Mao anstimmen. Gewaltverherrlichende Parolen wie „Solidarität muß praktisch werden – Feuer und Flamme den Abschiebebehörden“ oder „Nur der Griff der Massen zum Gewehr schafft den Sozialismus her“ werden auf der Demonstration bereitwillig mitgebrüllt.

Diskussion um Strafverschärfung

So antireligiös die Kommunisten sich geben, so sehr kommt in manchen Plakaten doch eine verschämte Sehnsucht nach Unsterblichkeit zum Ausdruck. „Sie leben in unserem Kampf weiter“, heißt es etwa auf einem Plakat mit den Gesichtern von Liebknecht, Luxemburg und Lenin. „Ich war, ich bin, ich werde sein“, heißt es auf einem weiteren Transparent, das ebenfalls Liebknecht und Luxemburg zeigt. Schließlich erreicht die Demonstration die „Gedenkstätte der Sozialisten“ auf dem Friedhof Friedrichsfelde, wo auch die Linksparteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger sowie der Franktionschef Gregor Gysi rote Nelken niederlegen. Unmittelbar vor dem Gedenkstein mit der Aufschrift „Die Toten mahnen uns“ hält jemand ein Stalin-Plakat in die Höhe.

Nachdem in Hamburg kürzlich über 100 Polizisten bei linksextremen Krawallen verletzt wurden, stand die Berliner Demonstration in diesem Jahr unter ganz besonderer Beobachtung. Es sollte nicht so weit kommen wie in der Hansestadt, wo sich die Polizei zur Errichtung einer „Gefahrenzone“ gezwungen sah, in der Kontrollen und Leibesvisitationen ohne Anlaß möglich waren. Zugleich brachte CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach eine Strafverschärfung für Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ins Gespräch. Zwar wurde der entsprechende Paragraph bereits 2011 novelliert, indem der Strafrahmen von zwei auf drei Jahre erhöht wurde.

Bosbach bemängelt jedoch, daß bei einfachen Vorfällen keine Mindeststrafe eingeführt wurde. Derzeit werde die gleiche Strafe angedroht wie bei der Jagdwilderei, was problematisch sei. „Immer mehr Polizistinnen und Polizisten werden Opfer von Gewalt“, sagte Bosbach der Berliner Zeitung. Die Zahlen stiegen von 2011 bis 2012 deutschlandweit um 9,9 Prozent. Wenn man den Strafrahmen ausweite, aber die Mindeststrafe nicht erhöhe, so Bosbach, „dann ist es durchaus möglich, daß sich die Spruchpraxis der Gerichte weiterhin am unteren Ende des Strafrahmens bewegt. Wir müssen deshalb in den nächsten Monaten abwarten, ob sich die Hoffnung in die Strafverschärfung tatsächlich erfüllt.“ Außerdem müsse die technische und personelle Ausstattung der Polizei verbessert werden, erklärte der CDU-Politiker. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zeigte Sympathien für Bosbachs Vorstoß. Angesichts der „fast bürgerkriegsähnlichen Zustände“ müßten die Linksextremisten „die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen“, sagte er.

Ohne Strafe kamen die Berliner Demonstrationsteilnehmer davon, die auf ihre Art und Weise zeigten, was sie von dem Gedenkstein für die Opfer des Stalinismus gegenüber der Grabstelle von Luxemburg und Liebknecht halten. Nachdem eine von der ehemaligen DDR-Bürgerrechtlerin und CDU-Bundestagsabgeordneten Vera Lengsfeld angeführte Mahnwache abgezogen war, überhäuften sie den Stein mit Müll.

Foto: Demonstrationsteilnehmer in Berlin: „Feuer und Flamme den Abschiebebehörden“

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