© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/14 / 17. Januar 2014

Furcht vor einem Millionengrab
Weltbild: Mit dem katholischen Buchhändler ist auch die Geschäftsstrategie der katholischen Kirche gescheitert
Gernot Facius

War es Optimismus oder doch eher Flunkerei, um Gesellschafter und Banken nicht zu beunruhigen? Noch Ende Oktober 2013 nannte Weltbild-Geschäftsführer Carel Halff (62) die finanzielle Situation der Jahrzehnte vom Katalog und dem Filialhandel geprägten katholischen Verlagsgruppe „gut und vernünftig“, die Liquidität sei trotz „vorübergehender“ Verluste ausreichend. Der beschleunigte Umbau von Weltbild (1,6 Milliarden Euro Jahresumsatz) zu einem Online- und Digital-Unternehmen könne aber zu weiteren Einschnitten führen. „Unsäglich“ seien jedoch Berichte über eine bevorstehende Zahlungsunfähigkeit.

So unsäglich waren diese Voraussagen freilich nicht. Denn schon zwei Monate und wenige Tage später hat sich der damals zur Schau gestellte Optimismus des Managers, den die Branche, aber auch die kirchlichen Anteilseigner – zwölf Bistümer, der Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) und die katholische Soldatenseelsorge Berlin – einst als unternehmerischen Wundermann gefeiert hatten, in heiße Luft aufgelöst.

Weltbild mußte Insolvenz anmelden. „Wir konnten es als Gesellschafter nicht verantworten, auf absehbare Zeit dreistellige Millionensummen aus Kirchensteuermitteln zu investieren“, verkündete der Münchner Kardinal Reinhard Marx. 65 Millionen Euro waren im Herbst als Beitrag zur Restrukturierung in Aussicht gestellt worden. Zur Überraschung der Bischöfe meldete die Geschäftsführung dann aber einen Bedarf von 130 Millionen Euro, nach anderen Informationen von rund 170 Millionen Euro an. Die Verbindlichkeiten summieren sich auf 190 Millionen Euro.

Die Eigentümer zogen den Stecker. Betroffen sind 2.200 Beschäftigte der Augsburger Zentrale, die Folgen für weitere 4.600 Mitarbeiter sind unabsehbar. Marx: „Die Kirche steht in Verantwortung für die Mitarbeiter, aber wir haben auch Verantwortung für die Kirchensteuerzahler.“ Marx und dem Augsburger Oberhirten Konrad Zsarda war es nicht gelungen, Amtsbrüder und Banken von der Zukunftsfähigkeit der Firma zu überzeugen.

In Zeiten, in denen kirchliche Bauprojekte von weit geringeren Dimensionen wie das Diözesane Zentrum in Limburg (31 Millionen Euro) für Empörung sorgen, sei die Furcht vor einem neuen „Millionen- oder gar Milliardengrab“ ins Unermeßliche gestiegen, registrierte die Katholische Nachrichten-Agentur.

„Auch eine Verantwortung für Kirchensteuerzahler“

Das Debakel hat mehrere Ursachen. Der Konkurrenz von Amazon waren die Augsburger nicht gewachsen, obwohl Weltbild, wie Carel Halff im Oktober beteuerte, als „einer der ersten ein Onlinegeschäft aufgebaut hat und gut im Digitalgeschäft unterwegs“ gewesen sei: „Die komplette Erneuerung der IT-Landschaft hat uns einen zweistelligen Millionenbetrag gekostet.“ Die gleiche Summe sei in der Logistik für ein automatisches Kommissionierlager ausgegeben worden. Alles Investionen bei schrumpfenden Umsätzen in den traditionellen Bereichen, wie dem Kataloggeschäft.

Für Negativschlagzeilen sorgte zudem der in aller Öffentlichkeit ausgetragene innerkirchliche Streit um das Verlagssortiment. Weltbild wurde wegen zweifelhafter Erotikprodukte („Schlampen-Internat“, „Anwaltshure“, „Vögelbar“) und Esoterikangebote an den Pranger gestellt. Die Bischöfe rügten die Geschäftsführung, der es nicht gelungen sei, die „internetgestützte Verbreitung sowie die Produktion von Medien, die den ideellen Zielen der Gesellschafter widersprechen, hinreichend zu unterbinden“. Reiche Bistümer wie die Erzdiözese Köln gingen offen auf Distanz zu Weltbild. Kardinal Joachim Meisner übertrug schon 2008 die Kölner Anteile auf den VDD, drei Jahre später verlangte er die Trennung von der Augsburger Gruppe.

Auch Papst Benedikt XVI. wurde so verstanden, als er in seiner berühmten Freiburger Rede eine „Entweltlichung“ der Kirche einforderte. All dies wirkte wie ein Brandbeschleuniger. Ein Käufer für das Unternehmen fand sich jedoch nicht.

Und einer „Heuschrecke“ sollte der Konzern nicht überlassen werden. So verfiel man im Episkopat auf die Idee, die bischöflichen Anteile in eine Stiftung kirchlichen Rechts einzubringen, unter Verzicht auf Gewinnausschüttungen, zur Förderung gemeinnütziger, kultureller und religiöser Zwecke. Dies wäre ein Befreiungsschlag gewesen, selbst Benedikt hatte dagegen nichts einzuwenden.

Allein, auch dieser Versuch lief ins Leere. Das wirft ein Licht auf die (Macht-)Verhältnisse in der Bischofskonferenz. Die Oberhirten konnten sich nicht einig werden über eine Weltbild-Neuausrichtung. Einige favorisierten klar den Ausstieg, zum Schluß wollten nur noch München, Eichstätt, Würzburg, Mainz und die Militärseelsorge weitermachen. Dazu ist es nicht mehr gekommen, Bistumsgremien hatten die Risiken als zu hoch bewertet, Banken spielten nicht mehr mit.

Dennoch hält Kardinal Marx an seiner Meinung fest, daß die katholische Kirche in einer medialen Gesellschaft mit einem eigenen Medienhaus vertreten sein muß. Marx zählt zu den Verlierern in dem Konflikt, sofern nicht in letzter Minute ein Wunder geschieht. Die Kirche muß wieder einmal mit dem Vorwurf leben, zu verantwortungsvollem unternehmerischem Handeln nicht in der Lage zu sein. Vor allem Verdi macht Stimmung gegen die Bischöfe: Jahrelang hätten sie an Weltbild verdient, jetzt aber drehten sie den Geldhahn zu. Korrekt ist das nicht. Denn Überschüsse wurden in der Regel reinvestiert. Einige Diözesen haben Darlehen in zweistelliger Millionenhöhe gegeben, sie sind bis dato nicht getilgt worden, wahrscheinlich werden sie das auch nicht mehr.

Was bleibt unter dem Strich? Daß die Bischöfe der von Benedikt XVI. geforderten „Entweltlichung“ mit dem – voraussichtlichen – Abschied vom Weltbild-Konzern unfreiwillig ein Stück näher gekommen sind.

 

Ex-Mitarbeiter kritisiert Beliebigkeit

Vor drei Jahren drehte die Kirche dem Rheinischen Merkur den Geldhahn zu. Die bis dahin zweitgrößte deutsche Wochenzeitung wurde von der Zeit übernommen, wo sie jetzt als Beilage für ehemalige Abonnenten ein Nischendasein fristet. Der damals erhobene Vorwurf der weltanschaulichen Beliebigkeit gilt im Fall von Weltbild noch viel stärker. Das Sortiment des Handelshauses war von dem anderer Anbieter nicht zu unterscheiden. Etwas speziell Katholisches gab es nicht mehr. Im Gegenteil. Selbst Romane von Dan Brown wie „Inferno“ wurden von Weltbild als Eigenmarke („Weltbild-Ausgabe“) angeboten. Der Vatikan hingegen hatte sich mit dem Erfolgsautor angelegt: „Sakrileg“ wurde von Vatikanvertretern scharf kritisiert (2005), und die Verfilmung von „Illuminati“ durfte nicht in Vatikankirchen stattfinden (2008). Kritik kommt nun von früheren Weltbild-Mitarbeitern. So sagt beispielsweise Peter Hummel, Ex-Reporter von Weltbild, der ARD: „Irgendwann wurde alles, was mit katholisch zu hatte, alle Zeitschriften, eingestellt. Weltbild wurde ein reines Handelsunternehmen. Das halte ich nach wie vor für einen strategischen Fehler.“ (rg)

Foto: Weltbild-Filiale (Berlin): Das Produktsortiment reicht von Raclette-Grills über Spielzeug und Nähmaschinen bis hin zu Dan-Brown-Romanen

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