© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/14 / 17. Januar 2014

CD-Kritik: Coppelius
Welt im Wahn
Sebastian Hennig

Eine Feder wird aufgezogen, dann ist Klingklang zu hören. So beginnt „Spieldose“, der erste Titel auf dem Album „Extrablatt“ von Coppelius. Harte Metal-Riffs und ein dreschendes Getrommel greifen die automatische Routine auf und widersprechen ihr zugleich. Der unheimliche Mechanikus Abraham Coppelius aus E. T. A. Hoffmanns Erzählung „Der Sandmann“ ist Namenspatron der Band. Der Bezug auf die deutsche Romantik ist lebensecht und berechtigt. Die romantische Diagnose einer entzauberten Welt und das daraus folgende glühende Streben nach Wiederverzauberung des Daseins durchdringt auch jede Regung und Äußerung des Berliner Sextetts. Die ungebändigten Widerspruchsgeister der Beat-Kultur rühren ohnehin aus der Romantik her, als der frühen Selbstkritik der Moderne von ihrem ersten hohen Gipfel.

Mit einem treibenden Rhythmus in der Art von „Walk like An Egyptian“ der Bangles geht es weiter mit „Welt im Wahn“. Das Lied endet: „Was fang ich mit meinem Sparbuch denn jetzt an? Ich will das, was man nicht kaufen kann.“ Klarinette und Geige umkräuseln die Lieder mit einer lockeren Reinlichkeit. Ein Kracher ist „Glanz und Eleganz“. Der häufig unfreiwilligen Komik der schlechten Laune schwarzgeränderter Sisters of Mercy im Rammsteinmassiv kann die Spielfreude und der Schalk von Coppelius nicht erliegen.

Coppelius Extrablatt Artist Recordings, 2013 www.coppelius.eu

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