© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/14 / 17. Januar 2014

Pawlows Reflexe ohne Wirkung
Stalins Minenhunde gegen deutsche Panzer
Jürgen W. Schmidt

Es zeugte nicht gerade von Tierliebe und war, wie so manches in Rußland, zwar einfach und brutal, aber trotzdem nicht sonderlich effektiv. Die deutschen Panzerkeile stießen 1941 immer weiter in Richtung Moskau vor. Zur Abwehr geeignete Kanonen waren wegen der riesigen sowjetischen Verluste in den Sommermonaten und der parallel dazu laufenden Produktionsverlagerungen hinter den Ural mehr als rar.

Da entschloß man sich – die Idee stammte angeblich von Geheimpolizeichef Lavrenti Berija persönlich –, „sobaki-minery“ (Minenhunde) zur Panzerabwehr einzusetzen. Geeignet für diese Art von Kamikaze-Einsätzen schienen alle größeren Hunderassen: Hauptsache, die Tiere konnten in einem Packrucksack Sprengladungen von 7 bis 12 Kilogramm Gewicht nebst einem Knickstabzünder tragen. Die Ausbildung der Hunde erfolgte auf speziellen Trainingsplätzen nahe Moskau und war nicht sonderlich kompliziert. Man ließ die Vierbeiner einfach drei Tage hungern und plazierte danach ihre Futterschüssel unter (Ketten-)Traktoren, welche mit laut ratternden Motoren extra für diesen Zweck bereitstanden.

Schnell lernten die intelligenten Tiere, ihr Futter nach mehrtägiger Hungerphase unter Kettenfahrzeugen zu suchen. Nur durften die Hunde nicht allzusehr an Kraft verlieren, denn ihre Sprengladungen sollten sie im Ernstfall noch bis zum feindlichen Panzer transportieren können, wobei sich beim Darunterkriechen ein bis dahin aufrechtstehender Holzstab am Packrucksack nach hinten umlegte und dadurch die Sprengladung auslöste. Im Oktober 1941 wurde die deutsche 3. Panzerdivision nahe der zentralrussischen Stadt Gluchow erstmals mit einem solchen Hundeeinsatz konfrontiert. Die Tiere konnten keinerlei Erfolge erzielen und wurden sowohl damals wie auch bei späteren Angriffen massenhaft abgeschossen.

Der russische Historiker Juri Lobuschkin behauptete zwar unlängst in seinem reißerischen Buch „Die Geheimwaffe Berijas“ (Moskau 2013), es wären im Oktober 1941 bis zu zwölf deutsche Panzer pro Einsatz jener Panzerjagdhundeinheiten vernichtet worden, doch das sind alles patriotische Legenden. Vielmehr liefen die vom Gefechtslärm verwirrten Tiere oftmals nicht auf die fahrenden deutschen Panzer zu, weil man sie nur an stehenden Traktoren trainiert hatte, sondern irrten übers Gefechtsfeld. Manche Hunde liefen sogar auf sowjetische Panzer zu, die von ihren Besatzungen daraufhin in Panik verlassen wurden. Alles in allem war ihr Einsatz ein Fehlschlag, auch wenn die Hunde auch noch in den Jahren 1942/43 bei Leningrad und Kursk sporadisch zum Einsatz kamen.

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