© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/14 / 17. Januar 2014

Umwelt
Das System ist schuld
Volker Kempf

Mit Perfektion treibt der Mensch die Plünderung der Erde voran. Die Belege füllen seit den siebziger Jahren Berge von Literatur. Daß die Zeit seither nicht stehengeblieben ist, macht Stephen Emmott mit seinem Buch „Zehn Milliarden“ deutlich (JF 39/13). Die Fieberkurven der Erde wurden seither länger. Die Ausbeutung der Meeresfauna lag 1975 noch bei etwa 50 Prozent, heute sind es über 80. Das Artensterben auf einer Skala von 600.000 v. Chr. bis zur Gegenwart dargestellt weist für die letzten Jahrzehnte eine nahezu senkrechte Linie nach oben auf. Der Kohleverbrauch steigt stetig, der Straßenverkehr ebenso. Zehn Milliarden Erdenbewohner werde nzum Ende des Jahrhunderts prognostiziert. Die Folgen haben schon andere vor Emmott vorgerechnet. Doch an den üblichen Reflexen hat sich nichts geändert.

Windkraft, Energieeffizienz, Sparlampen und Dosenpfand werden als Lösungen aufgeblasen.

Charakteristisch ist eine Rezension von Vera Linß, die ihre journalistische Laufbahn beim DDR-Fernsehen begann und nun im Deutschlandradio moniert, Emmott würde zu sehr auf die Bevölkerungszahl abstellen und nicht auf das kapitalistische System. Die Zahl der Menschen sei eine nachgeordnete Größe, das Wirtschaftssystem hingegen alles entscheidend. Was das für ein System soll das sein, das mit zehn Milliarden Menschen nachhaltig wirtschaftet? Ein paar Windkraftanlagen, etwas Energieeffizienz, Sparlampen und Dosenpfand werden zu großen Lösungen aufgeblasen. Eine naturwissenschaftliche Denkweise fehlt hingegen völlig. Diese Lesart und Wirklichkeitsverweigerung regiert in den Redaktionsstuben. Nicht das Wirtschaftssystem, sondern die wachsende Zahl der Menschen und die Oberflächlichkeit des reflexiven Bewußtseins an den Schaltstellen von Medien und Pseudowissenschaft sind es, die alles noch schlimmer machen, als es ohnehin schon ist. Hierüber müßte ein Buch geschrieben werden.

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