© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/14 / 24. Januar 2014

Gegessen wird immer
Landwirtschaft: Bauern verdienen mehr denn je / Probleme haben kleinbäuerliche Betriebe ohne Nachfolger
Christian Baumann

Die Besuchermassen, die seit Tagen auf die Grüne Woche in Berlin in Berlin strömen, stehen sinnbildlich für die Nachfrage der Deutschen nach guten Nahrungsmitteln. Diese Nachfrage ist ungebrochen. Gegessen wird immer. 57 Prozent der Deutschen legen dabei Wert auf die Herkunft der Produkte. Sie sind dabei allen „Geiz ist geil“-Unkenrufen zum Trotz auch bereit, mehr Geld für Tiere aus artgerechter Haltung oder Bioprodukte zu bezahlen.

Das macht sich für die Bauern bemerkbar, die obendrein noch von der steigenden Nachfrage aus Asien, vor allem aus China, profitieren: Die Einkommenssituation landwirtschaftlicher Haupterwerbsbetriebe hat sich mit Ablauf des Wirtschaftsjahres 2012/13 unterm Strich nennenswert verbessert: Mit durchschnittlich 62.900 Euro erzielte ein Betrieb gut sechs Prozent mehr als im Vorjahr. Dabei schnitten die Ackerbaubetriebe mit durchschnittlich 97.500 Euro wegen besserer Verkaufserlöse bei Getreide, Raps und Kartoffeln am besten ab und lagen doppelt so hoch wie ihre Berufskollegen aus der Milcherzeugung. Mit 52.300 Euro fiel deren Einkommen im Schnitt um 8.700 Euro niedriger aus als im Vorjahr, was in erster Linie auf erhöhte Kosten bei den Betriebsausgaben zurückzuführen ist.

Der Durchschnittsbetrieb verdiente sechs Prozent mehr

Auf Linie des Durchschnittseinkommens lagen die Schweine- und Rindermäster aufgrund besserer Schlachtviehpreise mit rund 64.000 Euro, was einer Steigerung von fast 13 Prozent entspricht. Ähnlich liegen auch die Winzer, deren Betriebseinkommen um acht Prozent auf durchschnittlich 65.100 Euro gestiegen ist.

Ein Blick auf die Regionen zeigt eine differenzierte Entwicklung. Während die Höfe in Bayern bei einem durchschnittlichen Buchführungsergebnis von 54.400 Euro leichte Verluste hinnehmen mußten, stiegen in den anderen Bundesländern die Einkommen teilweise deutlich an. Besonders in Mitteldeutschland, wo sich die Unternehmer über einen durchschnittlichen Ertrag von gut 120.000 Euro freuen. In den neuen Bundesländern wird die Branche von Agrargenossenschaften dominiert, die größer und ertragreicher sind als familiäre Durchschnittshöfe im Westen. Betriebe aus Hessen oder Baden-Württemberg besetzen mit einem Durchschnittseinkommen von weniger als 50.000 Euro das untere Ende der Skala.

Aber es gibt auch schlechte Nachrichten: Das Höfesterben geht weirer. Alleine zwischen 2007 und 2012 nahm die Zahl der Betriebe ab einer Nutzfläche über fünf Hektar um über 33.000 oder zehn Prozent auf 288.200 ab. Im Vergleich: Vor einem halben Jahrhundert sorgten noch fast 1,4 Millionen Höfe für die Ernährung der Deutschen.

Insbesondere macht der sogenannte Strukurwandel vor den Toren der Betriebe mit Tierhaltung – immerhin 72 Prozent aller landwirtschaftlichen Unternehmen – nicht halt. Der Trend geht weg vom klassischen Zuchtbetrieb, dafür nimmt die Zahl der auf Biolandwirtschaft spezialisierten Höfe zu.

Schweine- und Rinderzucht lohnt sich nicht mehr

Innerhalb eines Jahres schlossen rund 5.100 Betriebe mit Rinderhaltung, so daß im vergangenen Jahr noch 157.000 Höfe dieser Art existierten. Darunter gab es 2013 noch knapp 81.000 Milchviehhalter und damit 4,7 Prozent weniger als 2012. Es hat eine Konzentration stattgefunden: Bei etwa 12,6 Millionen Rindern und gut 4,2 Millionen Milchkühen sind die Bestandsgrößen gewachsen.

Einen noch schärferen Einschnitt mußten die Schweinehalter hinnehmen. Demnach ging 2013 die Zahl der Schweinemäster um 7,3 auf etwas über 28.100 zurück. Als dominanter Grund sind die ab 1. Januar 2013 in Kraft getretenen verschärften EU-Tierschutzbestimmungen zu sehen: Der damit verbundene Investitionsbedarf für vorgeschriebene Umbaumaßnahmen konnte von den Betriebsinhabern nicht bewältigt werden.

Es gibt in Deutschland nur noch halb so viele Sauenbetriebe für die Ferkelerzeugung wie zehn Jahre zuvor. Wie im Rinderbereich ist auch hier eine zunehmende Tierkonzentration festzustellen: Während ein eklatanter Schwund bei der Betriebsanzahl zu verzeichnen ist, verringerten sich die Tierbestände nur geringfügig – konkret reduzierte sich die Anzahl der Schweine um 1,6 Prozent auf 27,7 Millionen.

Daß sich dieser Strukturwandel fortsetzen wird, zeigen aktuelle Umfrageergebnisse: In größeren Betrieben ist in mehr als der Hälfte die Hofnachfolge geregelt.

Dagegen steht in den kleinstrukturierten Bauernhöfen nur in 18 Prozent der Fälle ein Nachfolger bereit. Das Fazit daraus ist einfach: Auch auf absehbare Zeit wird ein manifester Aderlaß die deutsche Landwirtschaft prägen, bei der kleinbäuerliche Strukturen das Nachsehen haben werden.

 

Artgerechte Haltung

Zu Beginn der Grünen Woche demonstrierten Zehntausende in Berlin gegen die agrarindustrielle Massentierhaltung. Und auch der auf der Messe vorgestellte „Kritische Bericht“ des Alternativen Agrarbündnisses befaßt sich schwerpunktmäßig mit diesem Thema. Gegner der Massentierhaltung verweisen unter anderem auch auf die Tötung von 40 Millionen Küken in Deutschland pro Jahr – wegen des falschen Geschlechts. Gebraucht werden nur die weiblichen Hühner, die als Legehennen zum Einsatz kommen. Die männlichen Hähnchen werden geschreddert oder vergast. Die Agrarindustrie begründet dies mit wirtschaftlichen Notwendigkeiten, da die betreffenden Tiere nicht so gut verkäuflich seien. (rg)

Foto: Rundgang: Der neue Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich eröffnet mit Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit die Grüne Woche

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