© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/14 / 31. Januar 2014

Auf dem Weg zur deutsch-französischen Saar
Bildungspolitik: Innerhalb von 30 Jahren soll das Saarland nach dem Willen der schwarz-roten Landesregierung zweisprachig werden
Christian Schreiber

Annegret Kramp-Karrenbauer gibt ihrem Projekt 30 Jahre Zeit. Daß die saarländische Ministerpräsidentin dann mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr im Amt sein wird, interessiert sie wenig. „In der Politik muß man auch einmal über den Tellerrand schauen“, sagte sie in der vergangenen Woche. Die CDU-Politikerin sorgte dabei für ziemlichen Wirbel. Einträchtig präsentierte die Ministerpräsidentin mit ihrer Vertreterin, der neuen SPD-Hoffnungsträgerin Anke Rehlinger, ihren „Master-Plan“: Das Saarland soll bis zum Jahresende 2033 zweisprachig sein. Bis dahin plant die Landesregierung, die Region „zu einem multilingualen Raum deutsch-französischer Prägung“ zu gestalten. „Die ab dem Jahr 2013 geborene Generation soll alle Chancen erhalten, damit sich die französische Sprache neben der deutschen Amts- und Bildungssprache bis zum Jahr 2043, also innerhalb einer Generation, zur weiteren Verkehrssprache im Saarland entwickeln kann“, heißt es in dem Papier.

Französischkenntnisse als Voraussetzung

Dieses Vorhaben hat selbst im beschaulichen Saarland für Aufsehen gesorgt. Das kleinste Flächenland der Bundesrepublik blickt auf eine bewegte Vergangenheit zurück, war nach den beiden Weltkriegen stets Zankapfel zwischen Deutschland und Frankreich. Erst seit 1957 gehört das Saarland zur Bundesrepublik, französische Einschläge in Kultur und Sprache finden sich bis heute. Doch Kramp-Karrenbauers Pläne gehen darüber hinaus. Sie will bei den ganz Kleinen anfangen. Kinder sollen künftig durchgängig von der Kita über die Grundschule bis zur weiterführenden Schule Französisch lernen können. Perspektivisch ist geplant, daß in der Hälfte aller Kindertagesstätten französischsprachige Lehrkräfte die frühkindliche Spracherziehung gewährleisten. In wenigen Jahren soll dies in bereits 230 Einrichtungen der Fall sein. Auch in den Grundschulen werde ab der ersten Klasse flächendeckend Französisch-unterricht eingeführt, der Zeitpunkt dieses Vorhabens ist allerdings noch offen. Zudem planen CDU und SPD, an den Gymnasien mehr bilinguale Zweige einzurichten.

Dabei hat das Saarland bereits die mit Abstand höchste Quote an Französischlernern in seinen Schulen. Die Wirtschaft produziert und handelt vorrangig mit Firmen jenseits der Grenze, zudem pendeln rund 18.000 Lothringer tagtäglich zur Arbeit ins Saarland. Doch es soll noch weiter gehen. Das wird in naher Zukunft auch die Verwaltung zu spüren bekommen. Denn die Regierung plant mit gutem Beispiel voranzugehen und „Französischkenntnisse als Einstellungskriterium vorauszusetzen sowie allen Beschäftigten den Anspruch auf angemessene Sprachaus- und Fortbildung geben“. Ebenso könnten französische Bürger gezielt für die Verwaltung angeworben werden, heißt es in dem Papier.

Daß diese Vorhaben ohne eine breite Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung nicht zu bewerkstelligen sind, weiß auch die Ministerpräsidentin. „Natürlich können wir niemanden zum Sprachenlernen zwingen“, sagte Kramp-Karrenbauer.Sie hofft aber dennoch auf eine „Mitwirkung auf breiter Ebene“, die eben auch die Bereitschaft zum Erlernen der Nachbarsprache beinhalte. „Nur wenn die Frankreichkompetenz in der Breite gestärkt und von der Bevölkerung mitgetragen wird, kann sich das Saarland tatsächlich zu dem einzigen mehrsprachigen Bundesland entwickeln.“

Wirtschaftsministerin Rehlinger von der SPD hält dieses Vorhaben für existentiell in dem hochverschuldeten und strukturschwachen Bundesland: „Durch die Frankreichkompetenz als Alleinstellungsmerkmal soll das Saarland als Brücke nach Deutschland und als Tor zum Nachbarn unentbehrlich und unumgänglich werden“, hofft die Nachfolgerin von Landeschef Heiko Maas, der kürzlich als Justizminister nach Berlin gewechselt ist.

Kommentatoren im Saarland bewerteten den Vorstoß der Landesregierung fast einhellig als „mutigen Schritt in die richtige Richtung“. Die zahlenmäßig ausgedünnte Opposition im saarländischen Landtag aus Linken, Grünen und Piraten schweigt bislang zu diesem Thema. Lediglich die außerparlamentarische FDP meldete sich mit harscher Kritik zu Wort: „Durch die alleinige Fokussierung auf Französisch bereits in Grundschulen wird der Zuzug junger Familien und auch von Fachkräften aus anderen Bundesländern erschwert, weil Schüler in anderen Ländern anderen Sprachenunterricht haben. Wir fordern im Saarland, die Fremdsprache Englisch nicht zu vernachlässigen“, sagte Generalsekretärin Nathalie Zimmer. Und der Landeschef der Jungen Liberalen, Tobias Raab, legte nach und warf der Regierung vor, die Zukunftsthemen zu vernachlässigen: „Das Saarland braucht eine frühkindliche Sprachförderung in den wichtigen Sprachen Deutsch und Englisch. Und keine Landesregierung, die sich Tagträumen über eine zweite Umgangssprache im Jahr 2043 hingibt, während sie die Probleme im Jahr 2014 ignoriert“, teilte er mit. Der Landesvorstand der AfD-Jugend „Junge Alternative“ nahm die Regierungspläne unterdessen mit Humor: Via Facebook teilte sie mit, man wolle Frau Kramp-Karrenbauer „zu Ostern eine Landkarte schenken, um ihr zu zeigen, wo das Saarland liegt“.

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