© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/14 / 31. Januar 2014

Grüße aus Bozen
Vespa in aller Munde
Hans Gernheim

Ein Begriff dominiert nun seit Wochen die Stammtische in Bozen: Vespa. Damit ist nicht der Motorroller gemeint, der seit den 1950er Jahren zu Italien gehört wie Spaghetti, Vino Rosso und das blaue Meer, sondern Bruno Vespa, der hochbezahlte Moderator von Italiens bekanntester öffentlich-rechtlicher Politsendung „Porta a porta“.

Diese Diskussionssendung, deren rabaukenhafter Stil durchaus einen realistischen Eindruck des italienischen Politzirkus vermittelt, war den autonomen Regionen Italiens gewidmet.Die Zielrichtung stand schon im voraus fest: Italiens Schwäche, so der allgemeine Tenor, wird durch jene Regionen verstärkt, die eine Sonderautonomie besitzen.

Prominentester Studiogast war der neu gewählte Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher. Der 42jährige Politiker der Südtiroler Volkspartei (SVP) wurde von Moderator Vespa nach allen Regeln der Kunst vorgeführt indem er das reiche Südtirol als Parasit am italienischen Staatskörper darstellte, das seine Steuern selbst verwalte anstatt sie dem klammen italienischen Staat abzuliefern.

Kompatscher gab kaum Contra – in Südtirol reiben sich nun viele verwundert die Augen.

Höhepunkt des medialen Scherbengerichts war die Anspielung auf das Gehalt des Südtiroler Landeshauptmannes, das laut Vespa höher sei als jenes des amerikanischen Präsidenten Obama. Die TV-Kontroverse zwischen ZDF-Moderator Markus Lanz und der Linkspartei-Politikerin Sahra Wagenknecht nimmt sich dagegen wie ein laues Mailüftchen aus.

Der neue Landeshauptmann hatte dem nicht allzuviel entgegenzusetzen und blieb eher fahrig. In Südtirol reiben sich nun selbst diejenigen verwundert die Augen, die die erreichte Autonomie und die Zugehörigkeit zu Italien bisher als das Ende der Geschichte betrachtet haben.

Anlaß zu Verwunderung besteht allerdings keiner: Die Unhaltbarkeit der von den Italienanhängern vertretene These, die Autonomie sei ausbaufähig und eine positive Entwicklung der deutschen und ladinischen Minderheit in diesem Staat gesichert, sollte mittlerweile bekannt sein.

Es bleibt allerdings ein schaler Nachgeschmack: Wieso bringt es Landeshauptmann Kompatscher nicht fertig, zu erklären, warum die Autonomie gerechtfertigt und ein notwendiger Schutz für die Südtiroler ist? Auch wenn sein Gehalt nicht dem des US-Präsidenen entspricht, könnte man dies von einem Landeshauptmann verlangen.

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