© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/14 / 31. Januar 2014

Ein Glaubenskrieg
Prokon-Insolvenz: Die Anleger werden in jedem Fall Verluste erleiden, aber vielleicht kann der Betrieb noch gerettet werden
Christian Schreiber

Es herrscht mittlerweile eine Art Glaubenskrieg. Auf der einen Seite sind da Verbraucherschützer und Experten, die sich hinstellen und sagen: „Wir haben es schon immer gewußt.“ Auf der anderen Seite steht das Unternehmen Prokon mitsamt seinen Freunden. Sie wittern eine große Verschwörung: „Hexenjagd, Schmierfinken, eine Presse, die für ihr Handeln keine Verantwortung übernimmt“, heißt es in Kommentarspalten im Internet und in Leserbriefen.

Die Ökostromfirma hatte ihre Anleger bereits in der zweiten Januarwoche vor einer drohenden Insolvenz gewarnt, falls weiter Kapital abgezogen wird. Seit vergangener Woche ist es offiziell. Das Unternehmen ist pleite, ein Insolvenzverwalter hat die Geschäfte übernommen.

Das in Schleswig-Holstein beheimatete Unternehmen forderte in einem letzten Akt der Verzweiflung seine Anleger auf, keine weiteren Genußrechte zu kündigen. Doch das Vertrauen in die Geschäftsführung um Firmengründer und Geschäftsführer Carsten Rodbertus war längst geschwunden. Noch ist unklar, wie viele Menschen ihre Scheine in den vergangenen Wochen zurückgegeben haben, Fakt ist aber: Die Verluste häuften sich rapide. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat Prokon nun erst mal ein wenig Zeit gewonnen. Der Geschäftsbetrieb von Prokon werde im Insolvenzeröffnungsverfahren in vollem Umfang fortgeführt, teilte der Insolvenzverwalter weiter mit. Rückzahlungen von Genußscheinkapital oder Zinsen seien derzeit nicht möglich. Forderungen gegenüber dem Unternehmen könnten erst später geltend gemacht werden.

Unternehmen gibt Medien die Schuld

Kritiker haben schon seit Jahren vor dem Konzept mit der Ausgabe von Genußscheinen gewarnt. Dabei handelt es sich um Wertpapiere, die eine Sonderstellung zwischen Aktien und Anleihen haben. Unternehmen kommen an Geld, der Käufer der Genußrechte erhält im Gegenzug regelmäßige Zinszahlungen. Im Unterschied zu Anleihen können diese Zahlungen aber auch gestrichen oder verschoben werden, wenn kein Gewinn anfällt. Im Gegensatz zum Aktienbesitzer hat der Inhaber von Genußscheinen kein Mitspracherecht bei der Firma.

Geht sie in die Insolvenz, werden die Scheine erst nach den anderen Forderungen (im Finanzmarktdeutsch: nachrangig) bedient. Somit besteht also die Gefahr des Totalverlusts. Das entsprechend größere Risiko wird durch höhere Zinsen ausgeglichen.

Nach Unternehmensangaben gab es zuletzt über 75.000 Anleger, die Prokon fast 1,4 Milliarden Euro anvertraut haben. Prokon-Chef Rodbertus stellte gegenüber dem Tagesspiegel schon Mitte Januar klar, daß Prokon „in der jetzigen Situation“ keinerlei Rückzahlungen oder Auszahlungen vornehmen könne. Eine Insolvenzgefahr hatte er zuletzt aber noch einmal verneint.

Prokon hatte jahrelang intensiv um Anleger geworben. In U-Bahnen, durch Massenwerbung oder kurze TV-Spots vorder Tagesschau. Zudem eröffnete Prokon Büros in deutschen Großstädten. Anlegern winke eine konstante Rendite von acht Prozent jährlich, und das Geld fließe in umweltfreundliche Projekte, lautete die Botschaft. Gutes tun und Geld verdienen.Wahrlich reizvolle Aussichten.

Doch im vergangenen Jahr häuften sich Berichte über eine negative Geschäftsentwicklung. So erwirtschaftete Prokon in den ersten acht Monaten des Jahres 2013 im operativen Geschäft gerade einmal circa 13,5 Millionen, mußte für die Zinsen der Anleger im gleichen Zeitraum aber rund 60 Millionen Euro aufbringen. Das operative Geschäft reiche folglich nicht annähernd zum Ausgleich der fälligen Forderungen aus, hieß es zuletzt im Dezember 2013. Das Magazin Capital berichtete von Bilanztricks, und die Stiftung Warentest kam zum Schluß, daß die Ausschüttung durch die Ausgabe von neuen Genußscheinen „alle Merkmale eines Schneeballgeschäfts aufweisen“ würde.

Das Unternehmen hat sich gegen diese Darstellungen stets gewehrt und davon gesprochen, daß durch gezielte Desinformationen potentielle Anleger und Inhaber von Genußscheinen abgeschreckt werden könnten. Wie hoch die Vermögenswerte der 314 Windkraftanlagen, des Biomasseheizkraftwerks und des Sägewerks aber tatsächlich sind, lasse sich nach einem Bericht von Euro am Sonntag nicht genau beziffern. Denn einen von Wirtschaftsprüfern bestätigten Jahresabschluß für 2012 gibt es noch nicht. Schätzungen gehen von 450 bis 500 Millionen Euro aus. Doch das reiche nicht aus, um alle Ansprüche zu bedienen, schreibt das Fachblatt.

Der Glaubenskrieg dürfte unterdessen noch ein bißchen weitergehen. Denn Prokon-Chef Rodbertus will nicht aufgeben: „Wir sind nach wie vor operativ gut aufgestellt und sind zuversichtlich, daß wir die aktuellen Schwierigkeiten überstehen werden.“ Gemeinsam mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter und im Dialog mit den Anlegern „werden wir alles daransetzen, die Zukunftsfähigkeit von Prokon zu sichern“, teilte er auf seiner Internetseite mit.

Foto: Unternehmenssitz von Prokon: Einen von Wirtschaftsprüfern bestätigten Jahresabschluß für 2012 gibt es noch nicht

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