© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/14 / 31. Januar 2014

Eine schmucklose Truppe
Neue Dienstvorschrift reagiert auf Tätowierungen und Piercings der Soldaten / Amtlich bestätigt: „Die Haare von Soldaten müssen kurz geschnitten sein“
Paul Rosen

Deutsche Soldaten dürfen auch in Zukunft nicht so herumlaufen wie die Filmfigur Darth Maul von den Sith Lords im Science-fiction-Epos „Star Wars“ – tätowiert im ganzen Gesicht. Mit seinem neuen Haar- und Barterlaß schreibt Generalinspekteur Volker Wieker Bundeswehrgeschichte – wie der frühere Verteidigungsminister Helmut Schmidt (SPD), in dessen Amtszeit der Haarnetzerlaß der Bundeswehr von 1971 fiel. Damals durften die Haare lang sein, mußten aber bei Bedarf mit einem Haarnetz zusammengefaßt werden. Diese Liberalität ließ die Opposition toben. Der damalige CDU-Verteidigungsexperte Manfred Wörner (später selbst Minister) sah ein Nachlassen der Disziplin durch langhaarige Soldaten und warf Schmidt vor, Unruhe in die Bundeswehr gebracht sowie Kampfkraft und Wehrbereitschaft herabgesetzt zu haben. In der Zeitschrift für Innere Führung ist von Vorwürfen Wörners zu lesen, Schmidt habe „den Vorgesetzten nicht in nötigem Ausmaß den Rücken gestärkt“. Offiziere und Unteroffiziere hatten bis dato die jungen Männer kompanieweise zum Friseur befohlen. Statt dessen wurden fast eine Million Haarnetze beschafft.

Dienstvorschrift betrifft Soldaten und Soldatinnen

Schmidt hatte die Auffassung vertreten, es sei ihm völlig egal, was auf dem Kopf wachse, entscheidend sei, was unter der Schädeldecke stecke. Damit traf der spätere SPD-Kanzler das Lebensgefühl der jungen Männer!

Aber schulterlange Haare sind ein Problem, wenn man 20 Kilometer im Kampfanzug marschieren muß und schwer ins Schwitzen kommt oder durch den Schlamm zu robben hat. Zudem reduzierten sich lange Haare im Verlauf der siebziger Jahre vom allgemeinen auf ein linkes Lebensgefühl. Diese jungen Männer verweigerten zumeist den Wehrdienst. Fortan sah man die langen Haare mehr bei Zivis im Altenheim, aber nicht mehr beim Bund, wo Schmidt-Nachfolger Georg Leber (SPD) den Haarnetz­erlaß bald aufhob. Damit hatten die Haare wieder kurz zu bleiben.

Und das bleiben sie bis heute, wie man in Wiekers Erlaß nachlesen kann, der am 1. Februar in Kraft tritt: „Die Haare von Soldaten müssen kurz geschnitten sein. Ohren und Augen dürfen nicht bedeckt sein“, die Haartracht von Soldatinnen „die Augen nicht bedecken“. Die bei Damen üblichen und bei der Männerwelt so geschätzten langen Haare, „die bei aufrechter Körper- und Kopfhaltung die Schulter berühren würden, sind am Hinterkopf komplett gezopft auf dem Rücken oder gesteckt zu tragen“.

Man mag sie leiden oder nicht, aber die „Körpermodifikationen und Körperbemalungen“ (Bundeswehr) sind nun einmal da. „Soweit sie beim Tragen einer Uniform sichtbar sind (insbesondere im gesamten Kopfbereich einschließlich des Mundinnenraums, im Bereich des Halses bis zum geschlossenen Hemdkragen, an den Unterarmen und an den Händen), sind abnehmbare Körpermodifikationen abzunehmen. Ist dies aufgrund ihrer Verbindung mit dem Körper nicht möglich (z. B. bei Tätowierungen), sind sie in geeigneter und dezenter Weise abzudecken.“ Wie das bei Darth Maul von den Sith Lords funktionieren könnte, bleibt aber ein Rätsel. Auch an die Ohren wurde gedacht: „Tunnel im Ohrläppchen sind nur zulässig, wenn sie durch eine hautfarbene Abdeckung bis zu einem Durchmesser von 15 Millimeter (Ein-Cent-Münze) vollständig abgedeckt werden.“ Es gibt sie zuweilen: Männer, die sich die Nägel wachsen lassen. Dergleichen geht gar nicht: „Soldatinnen und Soldaten halten ihre Fingernägel kurz.“

Früher kannte der deutsche Soldat kein Wetter, die Jahreszeiten wurden befohlen. Heute ist die Verwendung eines Regenschirms zum Dienstanzug „grundsätzlich zulässig“. Nur einfarbig muß der Schirm sein – und schwarz, damit niemand seine roten oder grünen Sympathien aufspannen kann.

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