© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/14 / 07. Februar 2014

Das Haar in der Truppe
Wissenschaftliche Studie: Eine Mehrheit der befragten Soldaten meint, die Bundeswehr büße durch Frauen in Uniform an Kampfkraft ein
Christian Schreiber

Schon der Titel „Truppenbild ohne Dame“ klingt provokativ. Zweifelsohne ist er an Heinrich Bölls Kriegsroman „Gruppenbild mit Dame“ angelehnt. Doch die von Gerhard Kümmel vorgelegte Studie, die er im Auftrag des „Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften“ der Bundeswehr erstellt hat, setzt sich mit der Integration von Frauen in den deutschen Streitkräften auseinander. Und der Titel nimmt bereits das Ergebnis vorweg – noch immer hapere es beim Miteinander von männlichen und weiblichen Soldaten.

Jeder dritte Soldat meint, Frauen würden bevorzugt

Für die Studie hat der Autor im Jahr 2011 innerhalb der Truppe rund 14.000 Fragebögen verteilt. Dabei war es ihm möglich, an alle 8.000 weiblichen Soldaten zu gelangen, während unter den Männern per Zufallsprinzip 6.000 ausgelost wurden. Der Fragebogen erfaßte neben den themenbezogenen Fragen auch die notwendigen Angaben zur Person und fragte entsprechend nach Alter, Geschlecht, Religionszugehörigkeit, Bildung, Familienstand und Lebenssituation. Auch der Werdegang innerhalb der Bundeswehr, wie Anzahl der Dienstjahre oder Dienstgrad, wurde abgefragt.

Bemerkenswert ist, daß bereits die Rücklaufquote mit rund 33 Prozent relativ bescheiden war, wobei deutlich mehr Frauen als Männer geantwortet haben. Für die Analyse hat sich Autor Kümmel, ein Politikwissenschaftler und Soziologe, des „Tokenism“-Konzepts der Amerikanerin Rosabeth Moss Kanter bedient, die in den siebziger Jahren Positionen und Karriereverläufe von Frauen und Männern in einem amerikanischen Industrieunternehmen untersucht hat.

In ihrem Standardwerk „Men and Women of the Corporation“ verwendet sie den Begriff „token“ für Angehörige von Minderheiten in Gruppen. Sie geht davon aus, daß die Angehörigen einer Minderheit nicht als Individuen, sondern lediglich als Stellvertreter der Minderheit wahrgenommen werden. Dadurch würden sie genauer beobachtet und die Einzelleistungen unterlägen verstärkt der selektiven Wahrnehmung. Auffälligkeiten würden somit nicht dem Individuum zugeordnet, sondern gleich der ganzen Gruppe.

Die Studie und der Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung sind schon alleine von daher interessant, weil die neue Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen kürzlich angekündigt hatte, die Bundeswehr zu einem der attraktivsten Arbeitgeber Deutschlands machen zu wollen – auch und gerade für Frauen. Dabei sollten flexible Arbeitszeiten und bessere Kinderbetreuung im Mittelpunkt stehen. Die Armee, so von der Leyen, solle sich immer weiter für Frauen öffnen. Die nun in Berlin vorgestellten Ergebnisse sollen belegen, daß akuter Handlungsbedarf bestehe.

Denn rund 56 Prozent der Soldaten sind der Ansicht, daß sich die Bundeswehr mit Frauen in der Truppe zum Schlechteren verändere. Knapp 36 Prozent glauben, die Bundeswehr verliere mit Frauen an Kampfkraft. Als Argument werde genannt, daß Frauen für das harte Leben im Feld ungeeignet seien. An diesem Punkt offenbart die Studie eine große Schwäche und läßt den Leser ratlos zurück. Denn gleich nach diesen Vorbehalten kommt das verblüffende Resultat, daß 92 Prozent der Befragten nicht glauben, daß Frauen in der Bundeswehr eine Sonderbehandlung bekämen.

Einen breiten Raum der Analyse nimmt die Frage nach sexuellen Übergriffen in der Armee ein. 55 Prozent der Teilnehmerinnen gaben zu Protokoll, daß sie bereits eine Form der sexuellen Belästigung erlebt hätten, davon 48 Prozent in Form von anzüglichen Bemerkungen, 25 Prozent durch das Zeigen pornographischer Darstellungen, und 24 Prozent schrieben von „unerwünschten sexuell bestimmten körperlichen Berührungen“.

Doch nicht nur die weiblichen Teilnehmer äußerten Klagen, auch die männlichen Soldaten übten Kritik am Umgang. Dieser richtete sich vor allem an die Vorgesetzten. So meint jeder zweite männliche Soldat, die Kameradinnen würden generell zu positiv beurteilt, und knapp zwei Drittel gaben an, daß die Karrierechancen für Frauen besser seien als für Männer. Jeder dritte Soldat ist der Meinung, daß Frauen durch die Vorgesetzten generell besser behandelt würden.

Wenig ermutigend ist die Tatsache, daß Akzeptanz und Zufriedenheit bezüglich der Rolle von Frauen in der Bundeswehr im Vergleich zur letzten Umfrage im Jahr 2005 in vielen Bereichen weiter zurückgegangen sind. Die Zahl der Frauen, die sich wieder dafür entscheiden würden, in den Militärdienst zu treten, ging dabei um rund neun Punkte auf 57,3 Prozent zurück. Dementsprechend stieg die Anzahl derjenigen, die gern vor Ablauf der Dienstzeit die Bundeswehr verlassen würden, von 11,3 auf 23,8 Prozent an, immerhin mehr als eine Verdoppelung.

In politischen Fragen gab es keine wirklich relevanten Erkenntnisse. Nur ein Bruchteil der Befragten gab an, entweder „ganz rechts“ beziehungsweise „ganz links“ zu stehen. Der Überwiegende Teil sieht sich politisch „in der Mitte“ verortet, was die Frage aufwirft, wieviel Wahrheitsgehalt in solchen Aussagen liegt.

Die Truppe selbst ist mit den Ergebnissen offenbar unzufrieden. „Wir können mit der Attraktivität der Bundeswehr nicht zufrieden sein“, sagte Vizeadmiral Heinrich Lange, Leiter der Abteilung „Führung Streitkräfte“ im Bundesverteidigungsministerium.

www.bmvg.de

Kommentar Seite 2

 

Frauen in der Bundeswehr

Von den aktuell rund 186.000 Soldaten der Bundeswehr – Berufs- und Zeitsoldaten sowie freiwillig Wehrdienstleistende – sind knapp 19.000 Frauen (Stand: Januar 2014). Das war bei Gründung der Bundeswehr 1955 noch nicht absehbar, denn im Grundgesetz hieß es damals: Frauen „dürfen auf keinen Fall Dienst mit der Waffe leisten“. Anders in der Nationalen Volksarmee der DDR, wo Frauen freiwillig Soldat werden konnten (zuerst nur bis zum Dienstgrad Fähnrich, ab 1984 auch als Offiziere). Bei der Bundeswehr war dies ein längerer Prozeß:

Oktober 1975

Erstmals werden approbierte Medizinerinnen als Sanitätsoffiziere zugelassen. Sie erhalten – obwohl im Status der Nichtkombattanten – eine Grundausbildung an der Waffe.

Juni 1988

Frauen dürfen alle Laufbahnen im Sanitäts- und Militärmusikdienst einschlagen.

Januar 2001

Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes im Jahr 2000 stehen Frauen alle Laufbahnen der Bundeswehr uneingeschränkt offen.

Foto: Das Bild der Frau: Die ersten weiblichen Sanitätsoffiziere der Bundeswehr werden 1975 von Verteidigungsminister Georg Leber (SPD) begrüßt (links oben), Frauen als Matrosen an Bord eines Marineschiffs mit ihren männlichen Kameraden (links unten), Soldatin des Heeres während einer Übung (rechts)

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