© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/14 / 07. Februar 2014

Dorn im Auge
Christian Dorn

Im Fernsehen kurzer Blick auf das dekadente Experiment Dschungelcamp. Wir wagen uns stattdessen ins „Dickicht der Städte“. In der U-Bahn am Potsdamer Platz tritt ein verwahrloster Maghrebiner in den Wagen, der sich nur mit Mühe auf den Beinen zu halten vermag. Im Gegensatz dazu sein Kommunikationsbedürfnis: Unverhohlen aggressiv erklärt er wiederholt, „Afrikaner“ zu sein und nötigt die anderen Fahrgäste, Antwort zu geben, ob auch sie Afrikaner seien. Die nicht nur verbale Zudringlichkeit des impertinenten Typen versuchen die Fahrgäste in – wie ich es inzwischen kennengelernt habe – typisch deutscher Feigheit zu ignorieren, indem sie weggucken oder sich gar wegducken. Bevor ich es wage, den Vogel zur Ordnung zu rufen, greift der Mann des Paares links von mir ein. Er packt den Kragen des offenbar auf Drogen stehenden Störenfrieds, rüttelt ihn durch, drückt ihn auf einen freien Sitzplatz und droht ihm Schläge an, bis seine Kopftuch tragende Freundin ihn dazu bringt, vom Störer abzulassen. Der aber beginnt daraufhin von vorn, so daß der Moslem – mein einziger, unverhoffter Verbündeter in diesem Wagen – erneut einschreitet. Die Prozedur wiederholt sich mehrere Male.

Vor vielen Jahren hatte ich es in der U-Bahn an der Schönhauser Allee erlebt. Ein großgewachsener Schwarzer drängte sich mit seinem Fahrrad in den überfüllten und für Fahrräder gar nicht zugelassenen Wagen. Kaum drin, bedrohte er die Fahrgäste, drängelte sich in die Reihe, riß die Oberlichter der Fenster auf, seine Umhängetasche klatschte den Leuten ins Gesicht – niemand wagte auch nur einen Ton des Widerspruchs. Als ich dem Schwarzen mit der Frage, ob noch alles in Ordnung sei, eine Grenze aufzeigen und den Leuten im Waggon Mut machen wollte, griff mich sofort ein weiblicher antifaschistischer Rohrspatz mit Rastalocken an: Wie rassistisch ich sei, wie ausländerfeindlich etc. pp. Alle anderen Leute in der Bahn – „meine“ Landsleute – duckten sich immer noch weg. Seither habe ich das Gefühl, daß dieser Opportunismus ein typisch deutscher Wesenszug ist. Was tun? Ecce homo – er soll ja aus Afrika kommen, der erste Mensch. Bilder davon gibt es nicht.

Stattdessen dominieren Einstellungen wie die des vor zwanzig Jahren mit einem Oscar prämierten Kurzfilms „Schwarzfahrer“ von dem Regisseur Pepe Danquart. Dort ist alles in politisch-korrekter Ordnung: Die Deutschen sind fremdenfeindlich und Schwarzfahrer, während der Schwarze eine Dauerkarte besitzt. Oder anders: ein Opfer-Abo.

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