© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/14 / 14. Februar 2014

Kratzen am Mythos Andreas Hofer
Besuch im Hofer-Museum bei Meran: Während die Südtiroler Schützen den großen Sohn Tirols ehren, sucht das Museum den Helden zu „dekonstruieren“
Yorck Tomkyle

Das Andreas-Hofer-Denkmal in Meran feiert 2014 sein hundertjähriges Bestehen. Am 16. Februar veranstalten die Tiroler Schützenkompanien dort die Hofer-Landesgedenkfeier, um den großen Sohn Tirols zu ehren. Ihm zu Ehren brennen am dritten Sonntag nach Pfingsten die Herz-Jesu-Feuer auf den Bergen Tirols, und es ist für jeden Schüler Verpflichtung, den Sandwirt im Passeiertal besucht zu haben.

Seit 1995 kümmert sich der Verein „Andreas Hofer Talmuseum Sandhof“ um das Gedenken und hat dem Museum vor allem in den zurückliegenden Jahren einen professionellen Anstrich verliehen.

Herzstück ist neben persönlichen und zeithistorischen Artefakten ein Film, in dem auch der Unkundige den Lebensweg Hofers nachvollziehen kann. Hier werden die gesellschaftspolitischen Umwälzungen der damaligen Zeit ebenso plastisch dargestellt wie der persönliche Lebens- und Leidensweg des tiefgläubigen und in seiner Heimat verwurzelten Hofer. Der Zuschauer erlebt einen Anflug der Tragik und der Unabwendbarkeit der Ereignisse – er erlebt keinen stählernen Tiroler Adler, sondern einen Menschen, der in Demut und Pflicht-erfüllung die an ihn herangetragene Aufgabe übernimmt, ohne sich darum zu reißen. Einen Menschen, der immer wieder zweifelt und dennoch den Weg, den er glaubt gehen zu müssen, bis zum Ende geht, obwohl ihm klar ist, daß er dabei alles verliert.

Der Rundgang durchs Museum beleuchtet diese Frage im Gegensatz zu dem informativen Film aus einer recht einseitigen Perspektive, die darauf abzielt, den Mythos Hofer letztlich zu zerstören.

Von den Wänden begrüßen einen Zitate wie das Brechtsche „Unglücklich das Land, das Helden nötig hat“ oder „Für Helden gilt die umgekehrte Perspektive – sie werden immer kleiner, je näher man ihnen kommt“. Letzteres ist offenbar auch die Losung der Museumspädagogen, denn nun werden Hofer alle möglichen modernen Helden gegenübergestellt – über Micky Maus und Obelix bis hin zu Che Guevara reicht das Potpourri, und natürlich dürfen auch weibliche Heldinnen nicht fehlen – die „bislang ungehörten Frauen aus Hofers Zeit“ kommen ebenso zu Wort wie die „Heldinnen des Alltags“, und Astrid Herbolds „Wir sind Heldinnen“ steht im museumseigenen gegenderten Souvenirladen gleich neben „Wandas wilden Helden“. Schließlich und konsequent fragt ein Autor namens Essig tiefschürfend: „Wann ist ein Held ein Held?“, während die „Stillen Helden“ neben der Autobiographie des Skifahrers Hermann Maier feilgeboten werden.

Während der Besucher darüber beim Gang auf die Toilette reflektiert, blitzt einen beim Händewaschen ein keckes „I found my hero“ vom Spiegel an. Immer wieder kritisiert die Ausstellung die Vereinnahmung Hofers durch den Zeitgeist der jeweiligen Epoche und seine Stilisierung zum Mythos. Die Macher scheinen in ihrem Eifer nicht zu bemerken, daß sie genau das auch tun: sie biegen sich die historische Person Hofer für den postheroischen Zeitgeist zurecht.

Die Antwort auf die Frage, ob man dem Lebensweg Hofers dadurch gerechter wird als in heroischen Zeitaltern beantworten die Museumsmacher indirekt selbst: Im Abspann des Hofer-Films sinniert der Sprecher aus dem Off, warum Hofer nicht einfach in seinem Wirtshaus geblieben ist; er hätte sich damit doch so viel erspart. Und Napoleon? Na, der wäre doch sowieso irgendwann von der Bildfläche verschwunden.

www.museum.passeier.it/de

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