© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/14 / 14. Februar 2014

Tuchfühlung mit dem Vulkan
Ausbruch des Vesuvs: Die informative Münchner Pompeji-Ausstellung erweckt versunkene Ortschaften wieder zum Leben
Felix Dirsch

Pompeji und das benachbarte Herculaneum bleiben im frühen 21. Jahrhundert ein Mythos. Wenngleich es im heutigen hochmedialen Zeitalter kaum mehr Bildungsbeflissene gibt, die in die dortigen Gegenden reisen, um ihre Antikenbegeisterung spätestens bei ihrer Wiederkehr demonstrieren zu können, zeigt der absehbare Erfolg der in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung zu sehenden Pompeji-Ausstellung „Leben auf dem Vulkan“ ein nicht geringes Interesse an einer alten Thematik.

Für den Besucherandrang gibt es einige Gründe. Die Katastrophe des Vesuv-Ausbruchs im Jahre 79 liefert – wie bruchstückhaft auch immer – einen Mikrokosmos menschlicher Lebensbedingungen. Aus vorhandenen Relikten lassen sich verschiedene Sozialverhältnisse rekonstruieren, was in diesem Fall vorzüglich gelungen ist.

Bereits am Anfang des Rundganges findet sich ein bedenkenswerter Hinweis auf die Vergänglichkeit des Lebens. Der Fußabdruck eines unbekannten Menschen hat sich in erhärteter Lava erhalten. Wer wird der Mensch wohl gewesen sein, von dem diese Spur heute noch nach zwei Jahrtausenden Kunde gibt?

Anhand zahlreicher Karten werden die über die Jahrzehntausende andauernden vulkanischen Aktivitäten dokumentiert, deren Beginn wahrscheinlich vor weniger als 39.000 Jahren anzusetzen ist. Manchmal wird dieser Ursprung schon vor 400.000 Jahren vermutet. Gleichfalls macht die Ausstellung auf ein Erdbeben aufmerksam, das einige Jahre vor den Verschüttungen von 79 registriert wurde und aus späterer Sicht oft als Unheilsbote begriffen wurde.

Die sehenswerten Exponate der Münchner Präsentation sind zahlreich. Zu nennen sind Geschirr, aber auch Waffen, Statuen, Goldschmuck, Möbel und andere Funde. Selbst erhaltene Lebensmittel können bestaunt werden.

Die Ausstellung führt vor Augen, wie die Menschen damals gelebt haben. Die üppig ausgestattete, in Pompeji aus zahlreichen Fundstücken teilweise wiederhergestellte Casa del Menandro – benannt nach einem griechischen Dichter, der auf Mosaiken präsentiert wird – vermittelt ein anschauliches Bild von Einrichtung, Arbeit und Wirtschaft eines Oberschichtenhaushaltes, obwohl die Wirren von 79 manche Fragen offenlassen. Die Kenntnis anderer, einfacher Häuser und von Mietskasernen freilich belegt, was kaum überrascht, eine Mehrheit an weniger betuchter Bevölkerung. Die soziale Schichtung war wohl eindeutig.

Hervorragend aufbereitet ist die Darstellung des Vulkanausbruchs in allen Phasen mittels moderner Wandbildschirme. Vergleichbare Eruptionen der unmittelbaren Gegenwart wurden mittels des Mediums Film aufbereitet. Anhand dieses Materials kann die Chronologie der von Plinius dem Jüngeren detailliert beschriebenen Ereignisse gezeigt werden. Unmengen von Bimsstein und andere Gesteinslapilli verwüsteten neben Pompeji, Stabiae und Herculaneum etliche andere Orte. Allein die Hauptphase des später so genannten plinianischen Ausbruchs, die sechs pyroklastische Glutwolken umfaßte, dauerte 19 Stunden.

Die Folgen der infernalischen Wucht für die Bewohner der bereits in der Antike prosperierenden Landschaften werden nicht ausgespart. Die Lava konservierte die Körperhaltungen der Sterbenden, als der Tod sie in Sekundenbruchteilen ereilte. Alle Rettungsversuche erwiesen sich als vergeblich. Angesichts der übermächtigen Naturkräfte und des den Besucher emotional berührenden Leids stellt sich die alte Frage des Psalmisten „Was ist der Mensch?“ von neuem.

Der abschließende Ausstellungsraum erhellt einige Stationen der Pompeji-Rezeption im 18. und frühen 19. Jahrhundert. So unterschiedliche Persönlichkeiten wie Johann Joachim Winckelmann, Johann Wolfgang von Goethe, der junge bayerische Kronprinz Ludwig sowie Friedrich Franz von Anhalt-Dessau nahmen sich des kulturellen Erbes der untergegangenen Stadt an. Das Pompejanum in Aschaffenburg, als Museumsgebäude geschaffen, ist ein bewunderungswürdiges Ergebnis der Klassizismus-Euphorie des Kunstförderers König Ludwig I.

Ein Audio-Führer und ein angemessen ausgestatteter Katalog sind nur zwei der angebotenen Vertiefungsmöglichkeiten. Dem Besucher drängt sich der Eindruck auf, über auch für Gegenwart und Zukunft wichtige Ereignisse informiert worden zu sein. Nach wie vor sind Risiken für die Bewohner Kampaniens nicht zu leugnen. Wie bedroht ist die Region sieben Jahrzehnte nach dem letzten größeren Ausbruch des Vesuvs?

Die Ausstellung „Pompeji. Leben auf dem Vulkan“ ist bis zum 23. März in der Münchner Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, Theatinerstraße 8, täglich von 10 bis 20 Uhr zu sehen. Telefon: 089 / 22 44 12

Der Katalog kostet in der Ausstellung 29 Euro.

www.hypo-kunsthalle.de

Foto: Vergänglichkeit des Lebens: Die fliehenden Bewohner von Nola–Palma Campania haben während eines vorgeschichtlichen Ausbruchs ihre Spuren auf der lockeren Ascheschicht hinterlassen

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