© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/14 / 21. Februar 2014

Schluck aus der Pulle
Bundestag: Die Große Koalition verliert keine Zeit und erhöht die Diäten
Lion Edler

Glaubt man der Lesart der Bundesregierung, dann sollte die Reform der Abgeordnetenbezüge des Bundestags eigentlich einen Beitrag gegen Politikerverdrossenheit leisten. Schließlich sieht die Reform doch eine härtere Bestrafung von Bestechung vor; außerdem sollen die Bezüge an die Entwicklung der Löhne der Gesamtbevölkerung gekoppelt werden. Doch aus dem erhofften Vertrauensgewinn in die politische Klasse scheint nichts zu werden: Noch vor der Abstimmung im Bundestag hagelt es Schelte von Opposition, Medien und Experten. Daß die Parlamentarier so kurz nach der Bundestagswahl ihre Bezüge erhöhen, nährt den Verdacht der Selbstbedienung.

Denn die Diäten sollen in zwei Schritten am 1. Juli 2014 und 1. Januar 2015 um jeweils 415 Euro auf dann 9.082 Euro steigen – das ergibt eine Erhöhung von rund zehn Prozent. Ab 2016 werden die Diäten dann an die Entwicklung der Bruttolöhne in Deutschland gekoppelt. Über diese automatische Erhöhung will der Bundestag aber nochmals abstimmten.

Ausschußvorsitzende erhalten Zuschlag

Die satte Erhöhung und weitere Details rufen Kritiker wie den Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim auf den Plan. Er bemängelt unter anderem, daß sich die Koalition an den Empfehlungen einer „unabhängigen Kommission zu Fragen des Abgeordnetenrechts“ orientiere, die vom Ältestenrat des Parlaments eingesetzt wurde. Wirklich unabhängig sei diese Kommission unter dem Vorsitz des früheren Justizministers Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) nicht, so von Arnim. Vier von elf Mitgliedern der Kommission seien ehemalige Abgeordnete, zwei von ihnen seien Minister gewesen.

Zudem sehe der Gesetzesentwurf im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht nun auch noch eine Zulage für Ausschußvorsitzende vor. Indem die Höhe und die Empfänger der von den Fraktionen gezahlten Zulagen nicht veröffentlicht würfen, betreibe die Bundesregierung „unerträgliche Geheimniskrämerei“. Ungerechtfertigt sei zudem die einheitliche Auszahlung einer Kostenpauschale von derzeit monatlich 4.204 Euro. Diese gelte damit auch für Abgeordnete aus Berlin, die beispielsweise keine Zweitwohnung und kaum Fahrten mit dem eigenen Pkw benötigten. Darüber hinaus werde die Mitarbeiterpauschale in Höhe von monatlich über 20.000 Euro im Gesetzesentwurf überhaupt nicht behandelt, obwohl diese Pauschale „verfassungsrechtlich und politisch ebenfalls hochproblematisch“ sei. Kritisch sieht von Arnim auch den Versorgungsanspruch für die Altersvorsorge, der von monatlich 207 Euro ebenfalls auf 227 Euro erhöht wird.

Die von der Opposition geäußerten Bedenken sind weniger grundsätzlicher Natur, sondern beziehen sich eher auf das Verfahren. Linken-Fraktionsgeschäftsführerin Petra Sitte wies zwar darauf hin, daß viele Rentner eine niedrigere Rente hätten als allein die von den Abgeordneten geplante Diätenerhöhung von 830 Euro. Die Koalition hätte, so Sitte, zu Beginn der Legislaturperiode erst einmal andere Themen bearbeiten sollen. Für die Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann ist vor allem das Tempo fragwürdig, mit dem das Gesetz durchgesetzt werden soll. Dadurch habe die Opposition kaum Zeit gehabt, sich ausführlich über den Entwurf zu beraten. „Es ist nicht gerechtfertigt, daß wir hier im Schweinsgalopp durch das Verfahren gehen“, sagte Haßelmann.

Die Koalition verteidigte die Diätenerhöhung dagegen mit Verweis auf Spitzengehälter in anderen Berufen und auf die hohe Arbeitsbelastung von Abgeordneten. „Wir arbeiten in der Regel mindestens 60 bis 70 Stunden die Woche“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht im Bundestag. Dazu komme dann noch die Arbeit an den Wochenenden. Auch der Parlamentarier Peter Tauber (CDU) sprach in seinem Blog von einer „wöchentlichen Arbeitszeit von bis zu 70 Stunden“, in denen Abgeordnete „im Zweifelsfall auch über Fragen von Krieg und Frieden entscheiden“ und „sehr grundsätzlich über die Zukunft unseres Landes“ bestimmten.

Künftig fünf Jahre Haft bei Bestechlichkeit

Außerdem verdienten Bundestagsabgeordnete „weniger als die meisten Sparkassenvorstände, weniger als Chefärzte und nur einen Bruchteil von Profifußballern, Talkshowmoderatoren oder den Vorständen der Dax-Konzerne“. Rhetorisch fragte Tauber daher angesichts der Kritik an der Diätenerhöhung: „Was sind uns die Demokratie und die von uns gewählten Volksvertreter wert?“

Neben der Diätenerhöhung regelt das Gesetz auch die Bestrafung der Bestechlichkeit von Parlamentariern, die künftig mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden soll. Eine Verschärfung der Regeln gegen Abgeordnetenbestechung ist Voraussetzung für die geplante Ratifizierung einer Konvention der Vereinten Nationen gegen Korruptiont. Wer als Politiker einen ungerechtfertigten Vorteil für sich oder Dritte fordert und dafür Handlungen im Auftrag oder auf Weisung vornimmt, macht sich strafbar. Union und FDP hatten eine Verschärfung im vergangenen Jahr noch verhindert, da es wegen der Seltenheit solcher Fälle keinen Handlungsbedarf gebe.

Foto: Geldregen für Abgeordnete: Verfassungsrechtliche Bedenken

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