© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/14 / 21. Februar 2014

Der „Verschrotter“ will alles besser machen
Italien : Provokant und zugleich pragmatisch will Matteo Renzi den beinah unregierbaren Staat per Roßkur auf Vordermann bringen
Paola Bernardi

Er ist am Ziel: Matteo Renzi, der jugendliche Bürgermeister von Florenz. Er zwang den italienischen Ministerpräsidenten Enrico Letta per Palastrevolution innerhalb seiner linken Regierungspartei PD zum Rücktritt. Das Ende eines Machtkampfes. Wiederum ohne demokratische Wahlen. Renzi ist nun nach Monti und Letta, der dritte Ministerpräsident, der sich ohne Urnengang an die Spitze des Landes setzt.

Nach zehn Monaten Amtszeit hatte Letta im Land fast nichts bewegt. Auf den Weg gebrachte Reformen blieben in ihren Ansätzen und Versprechungen stecken. Italien ist weiter in der Dauerkrise.

Renzis Idol ist Tony Blair. Er möchte die italienische Linke nach dem Vorbild der New Labour aufstellen. Doch so wirklich links ist Renzi nicht. Man spürt immer wieder seine christdemokratischen Wurzeln. Noch als Schüler trat Renzi in die christsoziale Volkspartei ein, die die in der Korruption untergegangene DC erneuern wollte. Später wechselte er dann in den „Olivenbaum“, die Bewegung der linken Mitte von Romano Prodi, die im heutigen Partito Democratico (PD) aufging. Zudem ist Renzi bekennender Katholik, verheiratet und hat drei Kinder.

Seit seiner Forderung, die alte Politikerklasse samt deren Privilegien zu „verschrotten“, trägt er den Spitznamen „Rottamatore“ (Verschrotter). Er will die Kosten für die Politiker um eine Milliarde Euro kürzen und kündigte außerdem ein „gigantisches“ Arbeitsmarktprogramm für die Jungen an. Zudem verlangt er, daß Italien stärker seine Stimme in Brüssel erheben solle.

Der 39jährige Renzi, der erst im Dezember 2013 mit 70 Prozent der Basis zum Chef der Linksdemokraten (PD) gegen das bisher von Altkommunisten geführte Partei-Establishment gewählt wurde, tat außerdem noch etwas Unerhörtes: Er brachte Silvio Berlusconi, den wegen Steuerhinterziehung verurteilten, aus dem Parlament ausgeschlossenen Ex-Ministerpräsidenten zurück auf die politische Bühne. Renzi beriet mit Berlusconi drängende Verfassungsreformen. Hinter dieser provokanten Einbindung stand ein ganz pragmatisches Kalkül, denn als Chef der „Forza Italia“ hat Berlusconi – trotz Spaltung seiner Partei – immer noch ein Drittel der Wähler hinter sich. Laut Umfragen kann „Forza Italia“ mit 22 Prozent der Stimmen rechnen und ist somit hinter den Linksdemokraten die zweitstärkste Partei des Landes. Und Renzi weiß nur zu genau, daß ohne Berlusconi und seine Abgeordneten in Kammer und Senat die Verfassung nicht geändert werden kann.

Sichtlich genoß Berlusconi seine Revanche, als er zu den Konsultationsgesprächen in den Quirinal zum Staatspräsidenten Napoletano als Parteichef gebeten wurde. Bereits zuvor hatten Renzi und Berlusconi ein neues Wahlrechtsreform-Modell vorgestellt, das dem Land stabile politische Verhältnisse garantieren soll. Das sogenannte „Italicum“ sieht die Regierungsfähigkeit durch ein bipolares System vor, in dem die kleineren Parteien die großen nicht mehr erpressen könnten. Auch die große Protestbewegung von Beppe Grillo wäre davon betroffen.

Kommentar Seite 2

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