© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/14 / 21. Februar 2014

Die Souveränität der Nationalbanken bleibt auf der Strecke
Liquidität-Swap-Abkommen: Die Schwellenländer werden trotz großer Risiken immer stärker in das internationale Zentralbankensystem integriert
Thorsten Polleit

Weltweit haben sich die Volkswirtschaften im „Boom-and-Bust“-Zyklus verfangen: einer Abfolge von Konjunkturaufschwung („Boom“) und Konjunkturabschwung („Bust“). Die entwickelten Volkswirtschaften haben in den Jahren 2008 und 2009 einen Anflug von Bust durchlaufen. Jetzt hat er viele Schwellenländer erreicht. Was ist der Grund für die chronischen Störungen im Wirtschaftsablauf? Die Antwort lautet: das Kreditgeldsystem.

Im internationalen Kreditgeldsystem weiten Zentralbanken und Geschäftsbanken die Geldmenge per Kreditvergabe aus, ohne daß dafür eine echte Ersparnis zur Verfügung stände. Die per Kreditausweitung geschaffene zusätzliche Geldmenge senkt die Marktzinsen künstlich ab. Das setzt zunächst eine wirtschaftliche „Scheinblüte“ in Gang. Früher oder später jedoch zerplatzt der Traum. Er endet in Unternehmenspleiten, Arbeitslosigkeit und Überschuldung.

Die Marktkräfte werden vollends ausgehebelt

Die Tiefzinspolitik in den entwickelten Volkswirtschaften hat in den letzten Jahren Auslandskapital in die Schwellenländer strömen lassen. Hier konnten Investoren nämlich noch hohe Renditen erzielen. Die Schwellenländer konnten so Handelsbilanzdefizite, überdehnte Investitionsprojekte und staatliche Ausgaben problemlos finanzieren. Doch nun ist damit vorerst Schluß: In der Erwartung, die Zinsen in den Vereinigten Staaten könnten steigen, verabschieden sich nun viele Investoren.

Die Kapitalflucht wertet die Wechselkurse der Schwellenländer-Währungen ab. Zweifel an der wirtschaftlichen und politischen Stabilität bringen die ehemals boomenden Ökonomien ins Schlingern. Unternehmen und Banken, die bislang auf zinsgünstige Kredite zurückgreifen konnten, sehen sich vor ernste Finanzierungsprobleme gestellt.

Die Erschütterungen in den Schwellenländern könnten ein weitreichendes Nachspiel haben: Sie könnten zu einer noch engeren Kooperation zwischen den nationalen Zentralbanken führen. Dazu muß man wissen, daß die großen Zentralbanken der Welt untereinander bereits „Liquidität-Swap-Abkommen“ abgeschlossen haben. Das sind Kreditlinien, mit denen sie sich untereinander ihre heimische Währung in unbegrenztem Umfang leihen, sollte das nötig sein.So kann die Europäische Zentralbank unbegrenzt US-Dollar von der US-Zentralbank beziehen und sie an die Euro-Banken weiterleihen. Die Folgen sind überaus weitreichend.

Zwar können durch die Liquidität-Swap-Abkommen politisch ungewollte Zahlungsausfälle im internationalen Bankenapparat abgewendet werden. Die nationalen Zentralbanken geben dafür jedoch die Souveränität über die heimische Geldmenge aus der Hand.

Zudem werden die Marktkräfte in den internationalen Kreditmärkten nun vollends ausgehebelt: Die Kreditzinsen bestimmen sich immer weniger an der Kreditqualität der Schuldner und vermehrt an der Erwartung, daß die Zentralbanken strauchelnde Schuldner mit Geldspritzen über Wasser halten werden. Verzerrte Zinsen sorgen absehbar für neuerliche Fehlentwicklungen.

Sollten die Turbulenzen in den Schwellenländern zu arg und die Banken der westlichen Welt zu belastet werden, könnte sich der Prozeß der internationalen geldpolitischen Vereinheitlichung fortsetzen: Die Zentralbanken in den aufstrebenden Volkswirtschaften treten dann wohl auch dem Netz der Liquidität-Swap-Abkommen bei.

Ein Weltkartell der Zentralbanken wäre das Ergebnis. Es wäre in der Lage, Zahlungsausfälle von strauchelnden Staaten und Banken in allen Währungen restlos aus den Finanzmärkten zu verbannen. Die Führungsposition hätte die US-Zentralbank. Schließlich ist der US-Dollar die Weltreservewährung, unter der sich das Bankgeschäft zusehends globalisiert hat.

Es droht ein Eigenleben der Zentralbanken

Ein Kartell der Zentralbanken würde die Boomphasen verlängern, weil durch eine gemeinsame Geldmengenausweitungspolitik die frühzeitige, marktgetriebene Korrektur von Fehlentwicklungen verhindert wird. Dadurch dürfte aber auch die Wucht des kommenden Bust – die unausweichliche Folge – zunehmen.

Mit wachsender Macht im internationalen Geld- und Kreditprozeß wächst natürlich auch die Mißbrauchsmacht der Zentralbanken. Schließlich bedeutet eine weltweit vereinheitlichte Geldpolitik, daß der Währungswettbewerb reduziert wird. Die Möglichkeit schwindet, daß Sparer und Investoren durch Kapitalverlagerung einer Geldentwertungspolitik entkommen können.

Gerade angesichts der Schuldenproblematik in vielen Ländern muß das besondere Befürchtungen wecken. Denn bekanntlich ist die Inflation für die Politik das vergleichsweise kleinste Übel. Unter einer vereinheitlichten Weltgeldpolitik wäre eine Inflationspolitik nun aber besonders einfach einzuleiten – und daher politisch besonders verlockend.

Das Kreditgeldsystem bringt also nicht nur volkswirtschaftlich schädliche Zyklen. Es verleitet die Zentralbanken zu einem Eigenleben: Nicht mehr die heimischen Belange, sondern die des internationalen Geschäftsbankensektors bestimmen zusehends ihr Handeln, und dadurch gerät letztlich der Geldwert unter die Räder.

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