© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/14 / 07. März 2014

Grüße aus Madrid
Der richtige Riecher
Michael Ludwig

Du mußt dich antizyklisch verhalten – kaufen, wenn andere verkaufen, dann kannst du ein Schnäppchen machen!“ Ein guter Freund aus Deutschland, nennen wir ihn Rudolf, vermag sich gar nicht zu beruhigen, so euphorisch gibt er sich seit seiner Ankunft in der spanischen Hauptstadt. Hier will er eine Wohnung erstehen, und ich soll ihm dabei behilflich sein. „Irgendwo habe ich gelesen, daß eine große deutsche Bank dabei ist, Immobilien in Madrid gleich massenweise aufzukaufen. Das zeigt, daß ich den richtigen Riecher habe.“

Die Idee, sich in Zeiten der Krise, nach einer Wohnung auf der Iberischen Halbinsel umzusehen, ist in der Tat mehr als verlockend. In Madrid sind die Preise seit 2006 um durchschnittlich 40 Prozent gefallen. An zahlreichen Häuserfassaden sind die roten Hinweisschilder angebracht, daß man hier mieten oder kaufen könne. Wer sich an ein Maklerbüro wendet, kann sich wie ein König fühlen, denn als besonders kostbares Gut wird er behandelt wie ein rohes Ei.

Wer will schon in einer Geisterstadt wohnen, Rudolf nicht, er bevorzugt quirlige Viertel.

Einen Besuch in einem der typischen Neubauviertel habe ich Rudolf erspart – in El Quinon bei Sesena im Süden der Hauptstadt beispielsweise. 2008 kostete dort eine 84 Quadratmeter große Drei-Zimmer-Wohnung mit einer Einrichtung vom feinsten 165.000 Euro, heute ist sie für 89.000 zu haben. Aber wer will schon in einer Geisterstadt wohnen, Rudolf bestimmt nicht, denn er bevorzugt quirlige Viertel wie Lista, Goya oder das noch etwas gediegenere Chamberi.

Auch hier sind die Preise erheblich zurückgegangen. Die Gründe dafür sind vielfältig – es sind nicht nur die Zwangsräumungen, wenn die Besitzer ihre Hypotheken nicht mehr bedienen können, sondern auch die ganz normalen Fluktuationen, die für Leerstände sorgen, aber aufgrund der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit (25 Prozent) keine neuen Käufer finden.

Am dritten Tag hat Rudolf das gefunden, wonach er gesucht hat – eine Zwei-Zimmer-Wohnung im eleganten Stadtteil Salamanca. Der Hausmeister verrät uns, daß der Besitzer bei dem Deal rund 70.000 Euro verliere. Er zuckt mit den Schultern und sagt: „Die Krise läßt sich einfach nicht verleugnen.“

In zwei Monaten will Rudolf wiederkommen und seinen Neuerwerb möblieren. Sein Ziel ist es, die Wohnung an Touristen zu vermieten, was seiner Meinung nach mehr bringen wird als die mageren Zinsen einer Bank.

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