© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/14 / 07. März 2014

Die Furcht des Kaufmanns vor schlechten Geschäften
Spanien: Deutschsprachige Unternehmer machen mit einem Aufruf gegen katalanische Unabhängigkeit mobil / Referendum im November
Michael Ludwig

Man traf sich im noblen Restaurant „Botafumeiro“ in Barcelona, dessen Wände holzgetäfelt und mit wertvollen Bildern geschmückt sind. Die Atmosphäre kann man als ausgesprochen gediegen beschreiben, und die Speisekarte läßt kaum einen Wunsch offen. Unter der Federführung von Albert Peters, bis 2012 Präsident des „Circulo de Directivos de Habla Alemana“, einer einflußreichen Vereinigung deutschsprachiger Geschäftsleute in der katalanischen Metropole, besprach man ein hochexplosives politisches Thema – es ging um die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens und wie diese abgewehrt werden könnten. Denn zahlreiche deutsche Unternehmen, die in Barcelona Niederlassungen haben und von dort aus ihre Geschäfte betreiben, fürchten bei einer Sezession erhebliche finanzielle Einbußen.

Das Ergebnis des Zusammentreffens war die Gründung einer Plattform mit dem Titel „Catalunya sin Europa? No!“ Ein aus dem spanischen Staatsverband ausgetretenes Katalonien, so gaben die Unternehmer zu bedenken, müßte automatisch auch die Europäische Union verlassen, was zu katastrophalen wirtschaftlichen Konsequenzen führen würde. Kroatien habe zwanzig Jahre gebraucht, um als Staat mit allen Rechten und Pflichten aufgenommen zu werden – eine in den Augen der deutschen Unternehmer „unheilvolle“ Durststrecke, die in diesem Fall auch Katalonien drohe. Darüber hinaus forderte Peters die verantwortlichen Politiker dazu auf, für die Sicherheit der geleisteten Investitionen zu sorgen.

Auch katalanische Firmen warnen vor Alleingang

Die Stimme der deutschen Kolonie besitzt durchaus Gewicht, denn die Handelsbeziehungen zwischen dem nordöstlichen Landesteil auf der Iberischen Halbinsel und der Bundesrepublik gelten als ausgezeichnet. Von den rund 1.100 deutschen Unternehmen, die in Spanien tätig sind, sitzen etwa 600 in Barcelona. Rund 100 Geschäftsleute haben den Aufruf, die Abspaltungstendenzen nicht auf die Spitze zu treiben, bislang unterschrieben, darunter Erwin Rauhe vom Industriegiganten BASF, Gerhard Esser von Thyssen Krupp, der Holzgroßhändler Peter Vogelsanger, Anwälte wie Carlos Wienberg, aber auch der Vertreter der evangelischen Gemeinde an der Costa Brava, Pastor Holger Lübs. Nach Ansicht von Albert Peters unterstützen sehr viel mehr deutschsprachige Unternehmer diese Position, würden aber davor zurückschrecken, ihre Namen der Öffentlichkeit preiszugeben. Das ist kein Wunder, denn viele arbeiten mit den katalanischen Behörden zusammen, die sie aus wirtschaftlichen Interessen heraus keinesfalls vor den Kopf stoßen wollen.

Aber es sind nicht nur die Vertreter ausländischer Firmen, die sich kritisch zu Wort melden, sondern auch zunehmend katalanische, die vor einem politischen Alleingang warnen. Den Anfang machte José Manuel Lara, der die bedeutende Verlagsgruppe Planeta leitet. Inzwischen sind ihm José Luis Bonet, Chef der bekannten Sektkellerei Freixenet, die Verantwortlichen der einflußreichen Bankhäuser La Caixa und Sabadell, Isidro Fainé und Josep Oliu, gefolgt. Der Präsident des spanischen Unternehmerverbandes CEOE, Juan Rosell, der selbst Katalane ist, nannte kürzlich eine vollzogene Unabhängigkeit „zerstörerisch“.

Nach Informationen der Madrider Tageszeitung ABC exportiert Katalonien jährlich Waren im Wert von 45 Milliarden Euro in das restliche Spanien, während es von dort Güter für lediglich 20 Milliarden bezieht. Blickt man auf den weltweiten Handel, so verkauft Katalonien für 59 Milliarden, führt aber für 70 Milliarden ein. Verrechnet man diese Posten, bleibt unter dem Strich ein Plus von neun Milliarden. Enorme Zinszahlungen für eine drückende Schuldenlast sowie der innerspanische Finanzausgleich, der für viele Katalanen ein ausgesprochenes Ärgernis darstellt, lassen von diesem Überschuß jedoch nichts mehr übrig.

Furcht vor spanischem Zoll auf katalanische Produkte

Wie aber wäre es um ein unabhängiges Katalonien bestellt? Zum einen würde Madrid mit Sicherheit dafür sorgen, daß die Zollschranken gnadenlos heruntergelassen werden. Nach Angaben des Wirtschaftswissenschaftlers José Luis Feito geht man davon aus, daß Barcelona zwischen 50 und 80 Prozent Marktanteile im Handel mit dem restlichen Spanien verlöre. Ähnliche Zahlen gelten auch für alle anderen EU-Länder, die Katalonien mit Waren oder Dienstleistungen beliefert. Um dieser Gefahr zu entgehen, würden viele große Firmen nach Madrid ausweichen – mit der Konsequenz eines erheblichen Abbaus von Arbeitsplätzen in Katalonien. Der baskische Ökonomieprofessor Mikel Buesa schätzt ihn auf rund 136.000. Das wiederum hätte zur Folge, daß die Steuereinnahmen drastisch sinken würden – eine wahre Horrorvorstellung in Zeiten der Krise, die den Süden Europas noch immer fest im Griff hat. Hinzu kommt das Problem mit der Währung – Barcelona müßte zwangsläufig den Euroraum verlassen und neues Geld drucken und prägen.

Nicht in dieser Rechnung enthalten – und es dürfte schwer sein, sie seriös aufzumachen – sind die Kosten, die in einem unabhängigen Staat zwangsläufig anfallen, also für Verteidigung, den Aufbau einer zusätzlichen Verwaltung und für die diplomatischen und konsularischen Vertretungen weltweit. Kein Wunder also, daß Unternehmer, die es gewohnt sind, nüchtern zu kalkulieren, gegen den politischen Kurs der Regierung des katalanischen Ministerpräsidenten Artur Mas Sturm laufen. Dieser hat sich bislang stets das Etikett „business friendly“ an die Brust geheftet. Auf den Aufruf der deutschsprachigen Unternehmer hat er ausgesprochen kühl reagiert. „Ich vermute, daß die Meinung dieser Personen genausoviel wert ist wie die derjenigen Katalanen, deren Namen nicht bekannt sind, aber die wählen wollen.“

Bei einer Volksbefragung am 9. November dieses Jahres sollen sie an der Urne darüber entscheiden, ob ihre Provinz ein unabhängiger Staat werden soll oder nicht. Die Zentralregierung in Madrid hat das Referendum für verfassungswidrig erklärt und will es mit allen Mitteln verhindern.

Foto: Containerabfertigung im Hafen von Barcelona: Kataloniens günstige Handelsbilanz wäre nach der Sezession wohl dahin, befürchten Experten

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