© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/14 / 07. März 2014

Genozidales Wüten der Deutschen nach 1933: Kollektivschuld der „Tätergesellschaft“
Aus nationaler Erinnerung ausbrechen
(dg)

Mit den 80 Millionen Menschen, die 1939 das „deutsche Volk“ verkörperten, macht Björn Krondorfer zeitgemäß kurzen Prozeß und klassifiziert sie als „Tätergesellschaft“. Nach ihrem „genozidalen Wüten“ sei sie, unter dem Bonner Notdach, „traumatisiert“ gewesen, habe sich indes durch „Erinnerungsverweigerung“ ihrem Trauma entzogen. Stattdessen hätten sich die Westdeutschen unter der Parole „Schlußstrich“ in den wirtschaftswunderlich wattierten „selbstbezogenen Leidensdiskurs“ über Bombenkrieg und Vertreibung gerettet. Krondorfer, an der Northern Arizona University Professor für Vergleichende Religionsstudien, seit langem aber „mit Blick auf die Geschichte des Holocaust Bildungsprogramme für die Überwindung gegenwärtiger Krisen“ entwickelnd, ist überzeugt, daß auch die Nachfolgegenerationen unter dem Gefühl „tiefsitzender Beschämung“ litten und legt ihnen „Schuldanerkennung“ nahe, um aus „national-homogenen Erinnerungsstrukturen auszubrechen“. Dies solle endlich zur Anerkennung der Leiden „der anderen“ führen (Junge Kirche, 4/2013). Daß ein Teil der keineswegs „traumatisierten“ Reichsdeutschen, der Kriegs- und Nachkriegskinder die von ihm reanimierte „Kollektivschuld“ als Ideologem angelsächsischer „Charakterwäsche“ durchschaut hat, bleibt in Krondorfers psychosozialen Konstrukten lieber unerörtert.

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