© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/14 / 21. März 2014

Florian Philippot. Er steckt hinter der erstaunlichen Wandlung des Front National
Der Exorzist
Friedrich-Thorsten Müller

Wenn man im französischen Front National (FN) Vizevorsitzender werden und gleichzeitig damit kokettieren kann, nie Jean-Marie Le Pen gewählt zu haben, muß sich etwas Unerhörtes zugetragen haben.Obwohl Florian Philippot mit seinen 32 Jahren schon reichlich Gelegenheit gehabt hätte, den FN-Gründer zu wählen, hielt er es zu dessen Zeiten lieber mit dem Linksnationalisten Jean-Pierre Chevènement. Diese Distanz zum FN änderte sich erst 2009, als sich die Nachfolge Marine Le Pens als Parteivorsitzende abzeichnete. Über einen Freund ließ Philippot damals ein Abendessen mit der Tochter des Patriarchen einfädeln, bei dem sich die beiden auf Anhieb verstanden und „gegenseitig die Sätze des anderen beendeten“.

Es folgten zwei Jahre als heimlicher Berater Marine Le Pens, um die Karriere des Eliteschulabsolventen als hoher Funktionär im Innenministerium nicht zu gefährden. In dieser Zeit reifte Philippot zum Spin-doctor der angehenden neuen Chefin heran. Erst 2011 – nach deren Wahl zur Parteipräsidentin – begab er sich aus der Deckung und begann als Strategiechef erfolgreich das Projekt der „Entteufelung des FN“ durch gemäßigtere Standpunkte voranzutreiben, das den FN bei der Europawahl dieses Jahr zu Frankreichs stärkster politischen Kraft machen könnte.

Auch die erklärte Gegnerschaft des bekennenden Gaullisten zu Ehrenpräsident Jean-Marie Le Pen konnte seinen rasanten Aufstieg binnen eines Jahres aus der Anonymität zum Vizevorsitzenden 2012 nicht aufhalten. Vielmehr fällt sie in der Partei, die seit 2011 von 12.000 auf 80.000 Mitglieder angewachsen ist und damit maßgeblich von Neumitgliedern geprägt wird, immer weniger ins Gewicht.

Beinahe wäre dem eloquenten, aber nicht charismatischen Philippot 2012 bei den Parlamentswahlen gleich auch noch der Coup gelungen, im Wahlkreis Forbach in Lothringen das Direktmandat zu gewinnen. Mit 46,3 Prozent im zweiten Wahlgang erzielte er eines der besten Ergebnisse für den FN und unterlag als zuvor wahlkreisfremder Kandidat nur knapp dem sozialistischen Bürgermeister und Platzhirsch Laurent Kalinowski. Eine Niederlage, die er nicht auf sich sitzen lassen möchte: Bei der Kommunalwahl am kommenden Sonntag fordert Phillipot den 58jährigen erneut heraus, diesmal als Bürgermeister der vom Strukturwandel gebeutelten 22.000-Einwohner-Stadt. Ob der Unbeliebtheit der sozialistischen Regierung sehen die Demoskopen den aus Croix an der belgischen Grenze stammenden FN-Funktionär im Vorteil. Einwanderer-Unruhen in einem Forbacher Vorort tun ihr übriges. Aber selbst wenn der Einzug ins Rathaus nicht gelingt, ist für die Karriere von Marine Le Pens „Exorzist“ gesorgt: Mit einem guten Listenplatz und erwarteten 23 Prozent für den FN sitzt er so gut wie sicher im Europaparlament.

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