© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/14 / 21. März 2014

Aufbruch nach Brüssel
Europawahl: Auf ihrem Parteitag in Erfurt will die AfD den Streit um ihre neue Satzung vergessen machen und den Wahlkampf einläuten
Marcus Schmidt

Die Alternative für Deutschland (AfD) hätte eigentlich allen Grund zum Feiern. Ein Jahr nach ihrer Gründung hat die Partei am vergangenen Wochenende bei der Kommunalwahl in Bayern ihre ersten politischen Mandate errungen (siehe Seite 4). Vor allem das Ergebnis in Augsburg, wo die Partei mit 6,4 Prozent der Stimmen die FDP deutlich hinter sich ließ, zeigt, daß es der Euro-kritischen Partei auch in den Kommunen gelingen könnte, sich zu etablieren.

Doch der Streit um die neue Parteisatzung (JF 10/14) droht die Freude über die Mandate zu überlagern. Schlimmer noch: Die für einen erfolgreichen Europawahlkampf notwendige Aufbruchstimmung und Geschlossenheit, für die der Bundesparteitag an diesem Wochenende in Erfurt eigentlich sorgen sollte, droht unter die Räder zu kommen. Dabei hat sich in den vergangenen Wochen gezeigt, daß der parteiinterne Zusammenhalt für die AfD in den kommenden Wochen wichtiger denn je sein wird.

Krisengespräche bis zur letzten Minute

Denn der Ton gegenüber den Euro-Kritikern verschärft sich. Sowohl die Angriffe der politischen Gegner als auch der Medien werden härter. FDP-Chef Christian Linder, dessen Partei in allen Umfragen derzeit hinter der AfD liegt, sieht diese auf dem Weg in den Rechtspopulismus. „Sie ist mit der FDP nicht vergleichbar, eher mit der FPÖ, schlimmer noch: mit Le Pens Front National“, sagte er am Wochenende der Wiener Presse. Und auch CDU-Generalsekretär Peter Tauber wurde mit Blick auf die neue politische Konkurrenz deutlich. „Sie wirkt wie ein Club alter verbitterter Männer, die das Gestern zurückholen wollen und um ihren eigenen persönlichen Wohlstand bangen“, sagte er der Neuen Westfälischen.

In der AfD hat man diese Äußerungen sowie mehrere Presseberichte, die in dieselbe Richtung zielten, ganz genau registriert. Man weiß, daß dies nur der Vorgeschmack darauf ist, was der Partei in der heißen Phase des Europawahlkampfes bevorsteht.

Um so wichtiger war es aus Sicht der Parteiführung um AfD-Sprecher Bernd Lucke, vor dem Parteitag in Erfurt die Wogen in der Partei zu glätten. Noch Anfang der Woche arbeitete die Parteispitze im Satzungsstreit fieberhaft an einem Kompromiß.

Die Kritik entzündete sich vor allem an dem Plan, das dreiköpfige Sprechergremium an der Spitze der AfD durch einen Parteichef mit vier Stellvertretern zu ersetzen. Auf Kritik stieß auch die Regelung, den vier Stellvertretern jeweils feste Aufgabengebiete (Programm, Medien, Mitglieder, Finanzen) zuzuordnen. Kritiker wie der ehemalige AfD-Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen, Alexander Dilger, sehen dadurch den Spielraum der Parteitage eingeschränkt. Auch andere Regelungen werden als Stärkung des Vorstandes zu Lasten der Mitglieder und der Parteitage gewertet, was dem Entwurf mit Blick auf Lucke den Vorwurf einbrachte, es handele sich quasi um ein „Ermächtigungsgesetz“, mit dem die Basisdemokratie innerhalb der Partei ausgehebelt werden solle.

Unterstützung erhält Lucke unter anderem von seinem Kosprecher Konrad Adam, der die Partei bislang gleichberechtigt mit Lucke und Frauke Petry führt. Er könne persönlich gut damit leben, wenn es künftig nur noch einen Parteivorsitzenden gebe, sagte er der JUNGEN FREIHEIT. „In diesem Fall sind sachliche Interessen wichtiger als persönliche Ambitionen.“

Die teilweise sehr kritischen Reaktionen auf den Satzungsentwurf hält er für übertrieben, gar für „hysterisch“. Vor allem dem Vorwurf, durch die neue Satzung werde der basisdemokratische Charakter der Partei zerstört, widerspricht Adam. „Der Begriff ‘basisdemokratisch’ läßt sich leicht aussprechen“, sagte er, „aber wenn es gilt, diesen auch mit Inhalt zu füllen, kommt meist nur wenig.“ Adam reagierte damit auch auf Vorhalte von Parteimitgliedern, durch die angestrebte Einführung einer Einzel-Spitze verliere die AfD ihren Charakter als Alternative zu den etablierten Parteien und gleiche sich in der Parteistruktur CDU/CSU, SPD und FDP an.

Adam verwies darauf, daß letztlich die endgültige Entscheidung bei den Mitgliedern liege. „Der Parteitag ist der Souverän und er bleibt es“, sagte Adam. Trotz der Auseinandersetzung um den Satzungsentwurf der Parteispitze sei dieser Schritt notwendig gewesen. Das auf dem ersten Bundesparteitag im vergangenen Jahr in Berlin beschlossene Regelwerk sei äußert lückenhaft und habe Schwachstellen. „Wir müssen aus Fehlern lernen“, verteidigte Adam den Anlauf für eine neue Bundessatzung.

Am Montag einigten sich nach Informationen der JUNGEN FREIHEIT die Vertreter des Bundesvorstandes und der Landesverbände schließlich in letzter Minute in einem Krisengespräch auf einen Kompromißentwurf, mit dem die größten Streitpunkte entschärft wurden. Bis zum Parteitag soll die Feinabstimmung erfolgen.

Ohne diesen Kompromißentwurf wäre der Programmpunkt „Beratung und Beschlußfassung über Änderungen der Bundessatzungen“ vermutlich kurzfristig von der Tagesordnung genommen worden. Als kaum vorstellbar galt zu diesem Zeitpunkt angesichts von zwei in der Partei kursierenden Gegenentwürfen, den ursprünglichen Satzungsentwurf unverändert zur Abstimmung zu stellen. Die zwangsläufig folgenden Diskussionen hätten schnell jeden zeitlichen Rahmen und damit den Parteitag gesprengt. Mit katastrophalen Folgen für die Auseindarstellung der AfD.

Auch so bleiben Blessuren. In den vergangenen Wochen hat sich in der Partei erstmals so etwas wie eine Opposition gegen Lucke formiert. Die Kritiker schrieben ihm die Initiative für die neue Satzung zu, da diese Lucke einen deutlichen Machtzuwachs bringen würde. Doch Lucke wehrt sich gegen den Vorwurf, er versuche aus persönlichen Gründen, seine Macht auszubauen. „Es ist weitgehend Konsens in der Partei“, schrieb Lucke in der vergangenen Woche den AfD-Migliedern, „daß die derzeitige Satzung Regelungslücken und unzweckmäßige Bestimmungen enthält, die zu zahllosen Schwierigkeiten in der innerparteilichen Praxis führen.“

Ein weiterer wichtiger Programmpunkt in Erfurt ist die Nachwahl für den Bundesvorstand. Diese wurden durch die Rücktritte der beiden Beisitzer Wolf-Joachim Schünemann und Irina Smirnova notwendig. Zudem stellte der stellvertretende AfD-Sprecher Roland Klaus sein Amt aus beruflichen Gründen zur Verfügung. „Eine Tätigkeit als Börsenreporter läßt sich leider nur schwer mit einem Spitzenamt in einer Euro-kritischen Partei verbinden“, sagte Klaus, der unter anderem für die Fernsehsender n-tv und N24 von der Frankfurter Börse berichtet hat.

Für die freigewordenen Vorstandsämter haben sich bislang 27 Parteimitglieder beworben. Auch die Nachwuchsorganisation der AfD, die Junge Alternative (JA), schickt mit dem erst 23 Jahre alten Studenten Markus Frohmaier einen Kandidaten aus den eigenen Reihen ins Rennen. Frohmaier will mit seiner Kandidatur dem in den Medien häufig verbreiteten Eindruck entgegenwirken, die AfD sei eine Rentnerpartei. Dabei sei das Gegenteil der Fall: „Je jünger die Wähler sind, desto öfter wählen sie AfD“, sagte er. „In der Gruppe der unter 29jährigen haben wir bei der Bundestagswahl besonders stark abgeschnitten.“ Dies müsse sich auch in der Parteiführung widerspiegeln. Der Ausgang der Nachwahlen gilt indes als völlig offen.

Im Mittelpunkt des Parteitages steht ohnehin das Wahlprogramm für die Europawahl (siehe Auszüge rechts). An dem Entwurf wird in der Partei, die eigens hierfür eine „Große Europakommission“ eingesetzt hat, bereits seit Monaten gearbeitet. Anfang März hatten die gut 17.500 Mitglieder Gelegenheit, über die 116 Thesen des Programms abzustimmen; rund 30 Prozent der Basis nutzten die Gelegenheit. Für die Parteiführung gerade mit Blick auf den anstehenden Europawahlkampf ein Beleg für den ungebrochen hohen Mobilisierungsgrad der Mitglieder.

Läuft in Erfurt alles glatt, stehen die Chancen gut, daß die AfD am Abend des 25. Mai allen Grund zu feiern hat.

 

Aus dem Europawahlprogramm der AfD

Präambel

Die Alternative für Deutschland (AfD) will eine Europäische Union (EU) souveräner Staaten. Einen europäischen Bundesstaat nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika lehnt die AfD ab, da es keine europäische Nation und kein europäisches Staatsvolk gibt.

Die AfD bekennt sich uneingeschränkt zu einer EU, die der Aufklärung sowie dem Streben der Völker nach Menschenrechten und Demokratie gerecht wird und die die Wertegrundlagen des christlich-abendländischen Kulturkreises dauerhaft erhält.

Euro und Währungspolitik

Die Einführung des Euro war eine Entscheidung gegen die ökonomische und politische Vernunft. Er bewirkt Streit und das Wiederaufleben nationaler Vorurteile. Der Wohlstand und der Friede unter den Mitgliedstaaten in der Eurozone sind gefährdet.

Die AfD fordert eine vollständige währungspolitische Neuordnung des Euro-Währungsgebietes. Jedem Land muß das Recht eingeräumt werden, die Eurozone zu verlassen, ohne aus der EU auszuscheiden.

EU und Demokratie

Die AfD setzt sich dafür ein, die Kompetenzverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten nach dem Subsidiaritätsprinzip zu überprüfen und, wo immer möglich, eine Rückgabe von Kompetenzen an die Länder durchzusetzen.

Die AfD setzt sich für mehr direkte Demokratie und eine stärkere Beteiligung der Bürger an wichtigen Entscheidungen ein.

Erweiterung

Europa hat geographische, kulturelle und historische Grenzen, die nicht mißachtet werden dürfen. Aus diesen Gründen lehnt die AfD die Aufnahme der Türkei in die EU ab. Die Aufnahmeverhandlungen sind zu beenden.

Sicherheitspolitik

Die Nato ist und bleibt die Klammer einer transatlantischen Sicherheitsarchitektur, deren entscheidender Anker das Bündnis mit den USA ist. Für einen europäischen Verteidigungsminister oder gar eine europäische Armee bleibt daneben kein Raum.

Einwanderung

Die AfD tritt für ein offenes und ausländerfreundliches Deutschland ein und bejaht sowohl die Niederlassungsfreiheit als auch die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Unsere demographische Entwicklung erfordert eine qualifizierte Zuwanderung, durch welche die Versorgung einer alternden Bevölkerung ebenso sichergestellt werden kann wie der Bedarf der Wirtschaft an hochqualifizierten Arbeitskräften.

Eine Einwanderung in deutsche Sozialsysteme lehnt die AfD strikt ab. Sozialleistungen für Zuwanderer sind ohne jede Einflußnahme der EU aus-schließlich nach deutscher Gesetzgebung zugewähren.

Der komplette Programmentwurf: www.jungefreiheit.de/thema/afd/

 

Wahlen 2014 Europa

Mit einem Erfolg bei der Europawahl am 25. Mai will die AfD ihr knappes Scheitern bei der Bundestagswahl vergessen machen. In den Umfragen liegt sie derzeit zwischen fünf und acht Prozent und damit vor der FDP (drei bis vier Prozent).

Sachsen

Ähnlich gut wie auf der europäischen Bühne stehen derzeit die Chancen in Sachsen. Bei der Landtagswahl am 31. August wird der AfD um Landeschefin Frauke Petry der Einzug in den Landtag zugetraut. Die Umfragen sehen die Partei derzeit bei bis zu sieben Prozent.

Brandenburg

In Brandenburg wird am 14. September gewählt. Die AfD unter Alexander Gauland kann hier mit fünf Prozent rechnen.

Thüringen

Ebenfalls am 14. September wird in Thüringen gewählt. Auch hier kommt die AfD derzeit auf fünf Prozent.

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