© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/14 / 21. März 2014

Seeschäumer dort, Landtreter hier
Konzerte: Richard Strauss wird in seinem Jubiläumsjahr an der Elbe wie der Themse gefeiert
Sebastian Hennig

Wie mit einem Fanfarenstoß hob das Festjahr zu Richard Strauss im Januar an mit einer rundum gelungenen Premiere der „Elektra“ in Dresden (JF 6/14). Ungefähr um dieselbe Zeit fand das erste von fünf Richard Strauss’ Musik gewidmeten Konzerten des Londoner Philharmonia Orchestra statt, und erst kürzlich erklang „Ein Heldenleben“ unter Christoph von Dohnányi sowohl in der Royal Festival Hall als auch unter Christian Thielemann in der Semper-oper. Und beide Male wurde im Programm ein Beethoven-Klavierkonzert vorangestellt.

In London verkörperte der junge Martin Helmchen das irrsinnig geschwinde erste, während in Dresden Radu Lupu mit sicherer Lässigkeit das geheimnisvolle vierte Klavierkonzert gab. Der weißbärtige Rumäne wirkte dabei wie ein Seemann auf Landgang, der sich neben dem Abbrassen und Anluven ganz nebenbei auch etwas aufs Klavierspielen versteht. Solche unprätentiöse Sicherheit ist im Zeitalter der kosmetikglatten Konzertsuperstars selten geworden und ein großer Genuß.

Der Grundstein zur Royal Festival Hall wurde 1949 im Todesjahr von Richard Strauss gelegt. Der mit braunem Holz vertäfelte Saal strahlt heute eine sehr behäbige Modernität aus. Das tänzerische, der musikantische Schwung des Naturgenies Richard Strauss kommt hier gegenüber dem strahlend Heroischen wenig zur Geltung. Der Geist des britischen Wagnerianismus eines Edgar Elgar und Gustav Holst bestimmt die Wiedergabe der deutschen Spätromantik.

Mit dem Schlachtgetümmel im vierten Satz „Des Helden Walstatt“ zeigte sich der militärische Genius der vormaligen Weltbeherrscher in seinem Element. Wenn die Seeschäumer die Lieder der Landtreter spielen, dann klingt es eben mehr nach Mastbaum als nach Lindenbaum. Mit strahlender Ritterlichkeit spielte der in Magedeburg und Weimar ausgebildete deutsch-ungarische Erste Konzertmeister Zsolt Tihamer Visontay das Violin-Solomotiv der „Gefährtin des Helden“.

Es ist ein bemerkenswertes Paradoxon, welches die Gender-Theoretiker nachdenklich stimmen sollte, daß dieses „weibliche“ Motiv in der Semperoper durch die dortige 1. Konzertmeisterin Yuki Manuela Janke bei weitem nicht solchen femininen Schmelz erweckte wie im Spiel ihres Kollegen in London. Vielleicht sollten wir es einfach dabei belassen, daß Humperdincks Hänsel von einer Sängerin gegeben wird und die Gefährtin im Heldenleben von einem Geiger.

Thielemann mäßigte zu beschwingter Klarheit

Selbstredend war das gegebene Strauss-Orchester in Dresden musikantischer und tänzerischer. Christian Thielemann wußte dieses klangliche Geschiebe immer wieder zu beschwingter Klarheit zu mäßigen, die gleichwohl nie kristallin und anorganisch wurde. Es war ein bißchen wie „Strauss dirigiert Strauss“ in der schönen Plattenaufnahme mit den Wiener Philharmonikern aus dem Jahr 1944. Wir betraten tiefstes Gralsgebiet mit der Staatskapelle und ihrem Chefdirigenten. Thielemanns Amtsvorgänger im Dresden der Jahre 1872 bis 1914, Ernst Edler von Schuch, war der Sachwalter des Straussschen Werkes in der sächsischen Residenz mit Ausstrahlung, die weit darüber hinausging. Die Zusammenarbeit gipfelte in der Uraufführung von „Der Rosenkavalier“ 1911. Die Reichsbahn setzte zu diesem Höhepunkt des Musiklebens Sonderzüge von Berlin nach Dresden ein. Die erste Opernaufführung, die der Berliner Thielemann in Dresden leitete, war „Der Rosenkavalier“.

Im November werden in Dresden zu den Richard-Strauss-Tagen weitere Konzerte und Opernaufführungen stattfinden. Eine neue Inszenierung von „Arabella“ hat am 7. November Premiere. Auch viele kleinere Häuser versuchen sich an Richard Strauss. An den Landesbühnen Sachsen in Radebeul hat „Ariadne auf Naxos“ am 30. März Premiere.

Die Richard-Strauss-Konzertreihe des Philharmonia Orchestra London in der Royal Festival Hall geht bis Anfang Juni. An diesem Donnerstag dirigiert Lorin Maazel „Eine Alpensinfonie“ und „Also sprach Zarathustra“.

In Dresden spielt die Sächische Staatskapelle unter Christoph Eschenbach am 30. und 31. März sowie 1. April 2014 in der Semperoper unter anderem Strauss‘ „Don Quixote“ und „Don Juan“.

www.staatskapelle-dresden.de

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