© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/14 / 21. März 2014

Preußischer Petrarca
Neues zum Barockdichter Simon Dach
Volker Stenzel

Klaus Garber leitet den Band über den Königsberger Barockpoeten Simon Dach (1605–1659) mit einem einprägsamen Satz ein: „Preußen hört nicht auf, geschichtsbewußte Gemüter zu beschäftigen.“ Der Osnabrücker Literaturhistoriker, seit Jahrzehnten in Rußland, dem Baltikum und Polen nach dem Verbleib jener Bücherschätze fahndend, die der Königsberger Apokalypse entgingen, um 1945 von „Beutekommissionen“ geraubt zu werden, stellt damit die philologische Beschäftigung mit Dach und dem Königsberger Dichterkreis in den großen Rahmen der Geschichte Preußens und Ostpreußens.

Zugleich macht er deutlich, daß es dabei nicht um antiquarische Exegese gehen soll. Sondern, wie er unter Hinweis auf den Wiederaufbau des Berliner Schlosses ausführt, um „erinnernde Anschauung und Vergegenwärtigung“. Davon sei „Stillung des Schmerzens“ und „Heilung“ zu erhoffen. Nicht nur für jene, die aus den Landstrichen des „Untergangs“ stammen, sondern, da der Germanist überaus optimistisch vom noch intakten nationalen Geschichtsbewußtsein ausgeht, für die Gesamtheit der Deutschen.

Angesichts des kulturellen Reichtums allein des barocken „Literaturorts“ Königsberg wäre eine historische Amnesie nur schwer begreiflich. Eine erste Vorstellung von dieser Fülle vermittelt Garbers Essay über die Wallenrodtsche Bibliothek, die „bedeutendste gedruckte Quelle zur Geschichte des Herzogtums Preußen“ seit 1525. Obwohl sie nur am Rande mit Simon Dach zu tun hat, gibt der Rückblick auf ihre Entwicklung einen die Neugier weckenden Eindruck vom geistigen Klima der Pregelstadt um 1650.

Das lange auf „Ännchen von Tharau“ reduzierte dichterische Werk Simon Dachs ist ein Spiegel der Kulturgeschichte des vom Dreißigjährigen Krieg verschonten Preußenlandes. Als solchen nutzt ihn die kurze Überschau des Kaliningrader Germanisten Wladimir Gilmanov, die sich auf das religiös aufgeladene poetische Ringen mit der „Diktatur des Todes“ konzentriert. Und ebenso verwebt Axel E. Walter in seiner die Hälfte des Bandes beanspruchenden Studie die „Gebrauchslyrik“ des „preußischen Petrarca“ in bislang nicht erreichter Dichte im gesellschaftlichen „Kommunikationsraum“ von dessen Heimatstadt.

Klaus Garber, Hans-Günther Parplies (Hrsg.): Simon Dach im Kontext der preußischen Kulturgeschichte der Frühen Neuzeit. Duncker & Humblot, Berlin 2013, broschiert 193 Seiten, 32,90 Euro

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