© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/14 / 21. März 2014

Knapp daneben
Religiöse Blindheit des Steuerrechts
Karl Heinzen

Wenn gläubige Unternehmer Gott über die Vergebung ihrer Sünden hinaus auch um geschäftlichen Erfolg bitten, ist dies im Normalfall steuerlich nicht relevant. Es entstehen keine Kosten, die das Finanzamt daraufhin zu prüfen hätte, ob sie als Betriebsausgaben geltend gemacht werden können. Stellen sich tatsächlich steuerpflichtige Erträge ein, fragt der Fiskus nicht danach, ob sie auf unternehmerisches Handeln oder göttliche Einwirkung zurückzuführen sind.

Wie fragil dieser Modus vivendi zwischen agnostischem Steuerrecht und gottesfürchtigem Unternehmertum aber in Wahrheit ist, zeigt ein Fall, der vor dem Finanzgericht Münster verhandelt wurde. Über Jahre hinweg mußte der Einzelhändler E., der gemeinsam mit Kompagnons ein Fachgeschäft für Uhren und Schmuck betreibt, immer wieder feststellen, daß die Umsätze in den Keller gingen. Da er der Kraft seiner eigenen Gebete offenbar nicht vertraute, wandte er sich an den spirituellen Dienstleister A., der Kontakt zu Gott aufnehmen und diesen um eine Besserung der Geschäftslage ersuchen sollte.

Sechs Jahre lang erhielt der spirituelle Dienstleister A. eine Erfolgsprovision vom Einzelhändler E.

Fruchtlos scheinen diese Bemühungen nicht gewesen zu sein. Sechs Jahre lang wurde A. eine Erfolgsprovision überwiesen. Das Finanzamt war jedoch nicht gewillt, diese Zahlungen als Betriebsausgaben anzuerkennen. Dieser Auffassung schloß sich das von E. angerufene Finanzgericht an. Es gebe, so die Urteilsbegründung, keinen wissenschaftlich fundierten und empirisch belegten Erfahrungswert, daß durch die Kontaktaufnahme zu einem spirituellen Wesen (zum Beispiel Gott) der geschäftliche Erfolg eines Unternehmens positiv beeinflußt werden könne.

Viele Unternehmer dürften hier anderer Auffassung sein. Dennoch ist weder der Finanzverwaltung noch dem Gericht ein Vorwurf zu machen, da beide an ein Recht gebunden sind, das ihnen religiöse Blindheit auferlegt. Dieses Recht ist allerdings auch keiner innerweltlichen Vernunft verpflichtet. Überall in unserer Wirtschaft findet man Gurus an den Konzernspitzen, die nichts zum Betriebsergebnis beitragen. Ihre Spitzengehälter firmieren dennoch als Personalkosten.

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