© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/14 / 21. März 2014

Der Flaneur
Keksangebote auf der Messe
Paul Leonhard

Bücher über Bücher. Verteilt auf fünf Hallen. Ich steuere die kleinen Verlage an. Bei den meisten sitzen die Herren Verleger selbst da, andere setzen auf studentische Kräfte.

Wie zwei Schönheiten, die einen sächsischen Verleger vertreten, der gerade die Konkurrenz studiert. Diese räumen freundlich ein, leider nicht detailliert Auskunft geben zu können, weil sie keines der angebotenen vier Bücher gelesen hätten. Aber ich dürfe schon mal reinschauen. Dann wenden sie sich wieder von mir ab und einem jungen Mann zu, der gegenüber hinter der Kasse sitzt. Sie lächeln und blinzeln, aber er nimmt einfach keine Notiz von den beiden. Schließlich nimmt die eine einen Zettel und schreibt sorgfältig fünf große Buchstaben: „Kekse?“ Davon haben sie schließlich eine ganze Kiste unter dem Tresen stehen.

Er schüttelt den Kopf und hebt seinerseits eine Keksdose hoch. Er sei bestens versorgt.

Noch immer schaut der Hübsche nicht auf, bis ihn ein anderer Verleger auf das Angebot aufmerksam macht. Er schüttelt den Kopf und hebt seinerseits eine Keksdose hoch. Er sei bestens versorgt. Und überdies müsse er arbeiten, er deutet auf die beiden blondierten Matronen, die gleichfalls diesen Verlag betreuen. Die beiden Grazien schauen enttäuscht: Der scheint ja noch richtig grün hinter den Ohren zu sein, aber so süß.

Gegenüber werden jetzt auf einem Tablett belegte Brötchen aufgefahren. Der junge Mann bedient sich. Die beiden Sächsinnen warten zwei Minuten, ob er vielleicht genügend Mut besitzt, ihnen eins anzubieten. Als nichts passiert, holen sie die eigenen Reserven heraus: Baguettes. Sie beißen herzhaft rein und blicken herausfordernd nach gegenüber.

Ich hätte noch eine Frage, zu einem der vier Bücher, auch wenn ich damit ins Schußfeld der kuli­narischen Auseinandersetzung gerate. „Vielleicht ist er ja schwul?“ setze ich an. Sofort blicken mich ein blaues und ein grünes Augenpaar aufmerksam an. Dann schüttelt die Hübschere den Kopf: „Nee, der ist nur schüchtern und traut sich nicht, aber noch ein Tag Buchmesse, und er ist reif. Wir haben da Erfahrung.“ Sie lächelt wieder aufreizend herüber, wo jemand rot anläuft.

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