© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/14 / 21. März 2014

Kostspieliger Husarenstreich
Energiewende: Am Beispiel der Wärmedämmung von Häusern zeigt sich, wie die Kosten willkürlich heruntergerechnet werden
Paul Rosen

Mit der Energiewende kommt die „Hauswende“. Alle Hausbesitzer sollen mit Sanierungs- und Dämmaßnahmen Energie sparen, um den Klimawandel zu bremsen. Nur die Kosten dürften ungebremst davonlaufen, ermittelte der Bundesrechnungshof in einem der JUNGEN FREIHEIT vorliegenden, noch nicht veröffentlichten Prüfbericht zur Energiewende, die nach Ansicht der Prüfer völlig aus dem Ruder läuft (siehe Kasten).

Die Regierung weiß weder, was sie beschlossen hat, noch wie erfolgreich die Maßnahmen sind, so daß sie unabhängige Prüfer beauftragt hat, dies zu ermitteln. „Die beauftragten Studien zeigen, daß den Bundesministerien und damit auch der Bundesregierung ein umfassender Überblick über die von ihnen selbst eingeleiteten Maßnahmen fehlt“, kommentierte der Bundesrechnungshof. Dreistellige Millionenbeträge, vermutlich sogar Milliarden, versickern ohne jede Rechenschaftslegung und Kontrolle.

Geplante Sanierungsquote unbezahlbar

Die Ziel- und Planlosigkeit hindert die Bundesregierung nicht, weiter neue Ziele zu verkünden. Mit der Kampagne „Hauswende“ soll die Sanierungsquote der 15 Millionen Ein- und Zweifamilienhäuser in Deutschland von einem auf zwei Prozent pro Jahr verdoppelt werden. Wenn in den Häusern – jeweils nach individuellem Bedarf – Heizkessel und Fenster ausgetauscht sowie Fassaden mit Dämmplatten beklebt werden, könnten die Eigentümer bis zu 80 Prozent Wärmeenergie sparen. Die seit der Regierungsneubildung für den Baubereich zuständige Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) wünscht sich sogar eine Erhöhung der Sanierungsquote auf 2,5 Prozent. „Wir verschwenden jede Menge Energie für Heizen und Warmwasser“, erklärte sie zum Start der Kampagne.

Wenn Hendricks die Unterlagen ihres eigenen Hauses studieren würde, dann müßte ihr klar sein, daß bereits eine Erhöhung der Sanierungsquote auf zwei Prozent unbezahlbar ist. Diese Milliardenbeträge sind von den privaten Eigentümern einfach nicht aufzubringen. Die Regierung stört das nicht. Die noch von der alten Koalition gefundene Lösung lautete: Man rechnet die Kosten einfach so weit runter, bis es bezahlbar aussieht. Und auch unter der neuen Umwelt- und Bauministerin Hendricks hat sich nichts geändert (für den Bau war bis zur Wahl das Verkehrsministerium zuständig).

Der Teil Gebäudesanierung der Energiewende geht zurück auf das 2010 beschlossene Energiekonzept der Bundesregierung, das noch eine Verlängerung von Laufzeiten der Atomkraftwerke vorsah. Erst nach Fukushima sattelte Bundeskanzlerin Angela Merkel um und warf die Atomkraft raus. Am Rest änderte sich wenig, außer daß die erneuerbaren Energien noch wichtiger wurden.

Die Federführung bei diesem Konzept hatten das Wirtschaftsministerium (BMWi) des damaligen Ministers Philipp Rösler (FDP) und das seinerzeit noch vom CDU-Mann Norbert Röttgen geführte Umweltministerium (BMU). Mit den anderen Ressorts wollten die beiden Politiker bei der Erstellung des Energiekonzepts nichts zu tun haben. „Dem Wunsch des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, an der Erstellung des Energiekonzepts beteiligt zu werden, kamen die beiden federführenden Ressorts nicht nach“, ermittelte der Bundesrechnungshof. Das heißt also, daß Röttgen und Rösler in trauter Eintracht den Verkehrs- und Bauminister Peter Ramsauer (CSU) ausbooteten. Der Sachverstand blieb dabei auf der Strecke.

Röttgen preschte vor und veröffentlichte das Energiekonzept auf der Internetseite seines Ministeriums – ohne daß das Konzept mit dem Verkehrs- und Bauministerium oder dem Ernährungs- und Verbraucherschutzministerium von Ilse Aigner (CSU) abgestimmt worden war. Diese politische Dimension der Energiewende macht deutlich, daß die CSU nur das fünfte Rad am Wagen der Bundesregierung war und vermutlich heute auch noch ist. Sie wird schlicht und einfach selbst in wichtigen Fragen übergangen.

Kurz nach der Veröffentlichung des Konzepts im Internet übersandten die Ministerien von Röttgen und Rösler an die Häuser von Ramsauer und Aigner den Entwurf des Energiekonzepts. „Sie machten deutlich, daß das ‘Grundgerüst und die gesetzten Schwerpunkte’ nicht veränderbar seien“, lasen die Prüfer des Rechnungshofes in einer Vorlage für Ministerin Aigner. Die Abteilung 5 des Aigner-Ministeriums schrieb an die Chefin: „Völlig unerwartet“ habe das Umweltministerium einen mit dem Wirtschaftsministerium abgestimmten Entwurf veröffentlicht: „Eine Einbindung der betroffenen Ressorts war nicht vorgesehen.“ In einer Vorlage für Minister Ramsauer hieß es: „In einem ‘Husarenstreich’ haben BMU/BMWi ... einen Entwurf für ein Energiekonzept der Bundesregierung präsentiert.“

Neben dem politischen Ziel, die CSU ins Abseits zu stellen, dürften Röttgen und Rösler auch einen anderen Grund gehabt haben, auf Rat und Kompetenz der CSU-geführten Ministerien zu verzichten. Im Energiekonzept war als Ziel ausgegeben worden, den kompletten Gebäudestand zu sanieren, was bis heute gilt. Der Gebäudebestand in Deutschland sollte nahezu klimaneutral werden, was enorme Summen kostet.

Bis zu 75 Milliarden Euro pro Jahr

Nach einer groben Schätzung des Ramsauer-Ministeriums sollten dafür 75 Milliarden Euro pro Jahr erforderlich sein. Auch die Vorgaben, welche Dämmung klimaneutral sein würde und welche Fenster es sein müssen, hätten noch erheblich verschärft werden müssen. Röttgen und Rösler störten sich nicht daran, sondern setzten einfach die Zahl 20 Milliarden pro Jahr ein, für die die Gebäudesanierung zu haben sei. Das gilt bis heute, und es zeigt, daß die Energiewende nicht funktionieren kann, weil mit gefälschten Angaben gearbeitet wird. Die Hausbesitzer haben nicht so viel Geld, um die Totalabdichtung ihres Eigentums bezahlen zu können.

Von den Gebäuden hinaus auf die Nordsee: Dort stehen viele Windräder, die bisher nicht an das Stromnetz angeschlossen werden konnten. Die Eigentümer erhalten von den Übertragungsnetzbetreibern eine Entschädigung dafür, daß diese ihnen keinen Strom abnehmen können. Wer wieviel erhält, legt eine „Projektgruppe Horizontaler Belastungsausgleich“ fest, in der nur Vertreter der Netzbetreiber sitzen. Die Rechnung wird an die Stromverbraucher geschickt, die dafür bis zu 0,25 Cent pro Kilowattstunde zu zahlen haben.

Aigners Haus lief gegen die Regelung Sturm und sprach von Mißbrauchsmöglichkeiten, „weil ausreichende unabhängige Kontrollen nicht vorhanden sind“. Die Bundesregierung, so stellte der Rechnungshof fest, „hielt die Einrichtung einer unabhängigen Kontrollinstanz nicht für notwendig und hat auch selbst keine Prüfungen vorgenommen“. Den Stromverbrauchern werden mit diesem völlig intransparenten Verfahren in diesem Jahr 760 Millionen Euro aus der Tasche gezogen für Windräder, von denen der Staat nicht einmal weiß, ob sie in der angegebenen Zahl überhaupt existieren.

 

Prüfbericht des Bundesrechnungshofes

Der bislang unveröffentlichte Bericht des Bundesrechnungshofes zur Energiewende, der der JUNGEN FREIHEIT vorliegt (JF 12/14), hat die Planung und Umsetzung der Energiewende scharf kritisiert. Dem Papier zufolge laufen die Planungen für die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energiequellen völlig unkoordiniert ab.

So habe etwa das Bundesfinanzministerium keinen Überblick über die Kosten für die Umsetzung. Diese habe der Bundesrechnungshof einzeln bei den zuständigen Ministerien erfragen müssen (siehe links). Auch über die Einnahmen im Zusammenhang mit der Energiewende hat die Bundesregierung offenbar keine Kenntnisse. Zu Steuereinnahmen nach dem Energie- und Stromsteuergesetz sowie zu Umsatzsteuereinnahmen auf energiebezogene Umsätze habe das Finanzministerium keine Angaben machen können, heißt es in dem Bericht. Darin attestiert die Behörde der Energiewende zudem „konzeptionelle und organisatorische Mängel von den strategischen Zielen bis hinunter zu Einzelmaßnahmen“. So seien zwei der drei obersten Ziele der Energiewende, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit, bislang nicht definiert. Hinzu komme, daß die Energiekonzepte von Bund und Ländern teilweise im Widerspruch zueinander stünden. Die Länder hätten zum Teil ganz andere Vorstellungen von der Energiewende als der Bund.

Auch die Bundesministerien arbeiteten laut den Ermittlungen mehrfach gegeneinander. So wurde das Verkehrs- und Bauministerium in der vergangenen Legislaturperiode an verschiedenen Planungen von den federführenden Ministerien Wirtschaft und Umwelt nicht beteiligt, obwohl es um Fragen der Gebäudedämmung ging.

Foto: Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD): Blick in die Unterlagen des eigenen Hauses

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