© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/14 / 28. März 2014

Putins Statthalter wider Willen
Linkspartei: Die Krim-Krise belastet zunehmend das Verhältnis zu SPD und Grünen
Paul Leonhard

Mit ihrer deutlichen Positionierung zu den Ereignissen auf der Krim hat sich die Linke in der deutschen Politik weitgehend isoliert. Der Traum von einer künftigen rot-rot-grünen Bundesregierung scheint in weite Ferne gerückt. Die Grünen sind beleidigt, weil Wolfgang Gehrcke, Vize-Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Linken, sie „als rechten Rand des Bundestages“ bezeichnet hat. Die Sozialdemokraten haben signalisiert, daß sie mit den gerade noch für salonfähig erklärten Postkommunisten nichts mehr zu tun haben wollen. SPD-Chef Sigmar Gabriel warf Sahra Wagenknecht vor, ihre Reden würden ihn „an die krampfhaften Rechtfertigungsreflexe kommunistischer Sekten in den siebziger und achtziger Jahren für jedwedes Unrecht, das damals von der Sowjetunion begangen wurde“, erinnern. Prompt lud auch die als pragmatisch geltende einflußreiche SPD-Gruppe „Netzwerk“, die Linken-Fraktionschef Gregor Gysi zur Diskussion eingeladen hatte, diesen nach dessen Bundestagsrede zum Umgang mit Rußland wieder aus. „Pragmatisch ist das nicht, aber peinlich“, spottete die Süddeutsche Zeitung.

Unerwartete Zustimmung von Mißfelder

Von einer unsäglichen Schlammschlacht zwischen Grünen, SPD und ihrer Partei spricht die Linken-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau: „Grüne diffamieren Die Linke als Kriegstreiber. Linke brandmarken die Grünen als Pseudo-Faschisten. Und die Sozialdemokraten laden Gregor Gysi als Persona non grata aus einer vereinbarten Gesprächsrunde aus.“

Dabei hatte Gysi vor dem Bundestag klar und deutlich „Denken und Handeln“ von Rußlands Präsident Wladimir Putin als falsch verurteilt. Selbst die ultralinke Sahra Wagenknecht, die sich aus der Parteispitze zurückziehen will, bezeichnete die Angliederung der Krim als „völkerrechtswidrig“. Gleichzeitig werfen Gysi, Wagenknecht und andere linke Politiker den etablierten Parteien aber vor, mit zweierlei Maß zu messen: die Verletzung des Völkerrechts im Jugoslawienkrieg durch die Nato, die Bombardierung Serbiens durch deutsche Flugzeuge ohne Beschluß der Vereinten Nationen, die Anerkennung des Volksentscheids zur Loslösung des Kosovo, die Verstöße gegen die territoriale Integrität Serbiens, Afghanistans, des Iraks und Libyens. Die Nato-Länder hätten geglaubt, so Gysi, „solche Sieger im Kalten Krieg zu sein, daß alle alten Maßstäbe für sie nicht mehr gelten“. Eine Argumentation, die für SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann „unerträglich“ ist. Der russische Völkerrechtsbruch auf der Krim dürfe nicht relativiert werden. Er halte die Außenpolitik der Linken für unverantwortlich, sie stelle die Westbindung in Frage, sagte Oppermann.

Während CDU-Bundestagsfraktionschef Wolfgang Kauder der Linken vorwirft, eine Propagandatruppe Rußlands zu sein, kommen von seinem Parteifreund Philipp Mißfelder ganz andere Töne. Auf Phoenix hatte der außenpolitische Sprecher der Linken, Jan van Aken, ein „Sicherheits-Agreement“ mit Rußland gefordert und fast wörtlich aus der Bundestagsrede seines Fraktionschefs zitiert: „Sicherheit in Europa gibt es niemals gegen Rußland, nur mit Rußland.“ Und was antwortete Mißfelder, immerhin Koordinator der Bundesregierung für die transatlantische Zusammenarbeit: „Da haben Sie recht, Herr von Aken, und das ist genau das, was die Kanzlerin versucht zu machen.“

Mißfelder war es auch, der bereits auf der Sicherheitskonferenz in München Anfang des Jahres eine aktive Einbeziehung Moskaus in die Konfliktlösung in der Ukraine gefordert hatte: Ein entweder Europa oder Rußland könne für die Ukraine nicht funktionieren. Damit scheinen Union und Linke seltsamerweise auf einer Ebene zu liegen. Daß es sowohl den Vereinigten Staaten als auch Rußland nur darum geht, mehr Einfluß zu gewinnen und vorhandenen zu verteidigen, benennt so aber nur Gysi. Auch, daß in der gegenwärtigen Systemkonfrontation „Nato und EU alles falsch gemacht haben, was sie falsch machen konnten“. Jeder Versuch, Rußland zu isolieren, mache es nur noch unberechenbarer, betont Stefan Liebich, Obmann der Linken im Auswärtigen Ausschuß.

Die eigenen Reihen haben sich geschlossen

Linkenchef Bernd Riexinger warnt vor dem „Zündeln der Amerikaner“. Die Christdemokraten müssen dagegen Rücksicht auf Amerika nehmen. Immerhin konstatiert CDU-Vize Armin Laschet in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung einen „marktgängigen Anti-Putin-Populismus“ in den Medien. Was aber die SPD am meisten gegen ihren potentiellen linken Koalitionspartner aufgebracht hat, ist ein Vorwurf Wagenknechts, der direkt auf Außenminister Frank-Walter Steinmeiers (SPD) Engagement in der Ukraine zielt: „Eine Putschregierung, der Neofaschisten und Antisemiten angehören, kommt mit dem Segen von Merkel und Steinmeier ins Amt.“ Die Tatsache, daß Putin seinerseits die Vertreter rechter Parteien aus Europa eingeladen hatte, die Abstimmung auf der Krim zu beobachten, überging sie.

Selbst SPD-Vize Ralf Stegner, Beauftragter für Gespräche mit der Linken, ist auf Distanz gegangen. Und Fraktionschef Oppermann betont, in Deutschland könne man nur eine Regierung mit Partnern bilden, mit denen „außenpolitisch und europapolitisch ein Grundkonsens besteht“. Das sei derzeit bei der Linkspartei nicht der Fall. Seitdem herrscht wieder Eiszeit zwischen SPD und Linkspartei. Dafür haben sich aber in letzterer zum ersten Mal seit langem wieder die Reihen geschlossen.

Foto: Wladimir Putin, Wahlwerbung der Grünen: Schützenhilfe bekommt er auch von einst Friedensbewegten

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