© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/14 / 28. März 2014

Viele kleine schwarze Löcher
Steuergeldverschwendung: Deutschland verplempert Milliarden / Mentalitätswechsel notwendig
Ronald Gläser

Wenn die Beamten im Berliner Bundeswirtschaftsministerium aus ihrem Fenster schauen, dann sehen sie die Baustelle in der Invalidenstraße. Auch ihre Kollegen im Verkehrsministerium blicken auf Bagger, Baustellenschilder und eine stinkende Metallawine, die sich an dieser Stelle tagtäglich durch Berlin-Mitte kämpft.

Manchmal sehen die Beamten dann auch Bauarbeiter, allerdings kommt das auf Berliner Straßenbaustellen nicht allzu oft vor. Deswegen dauert diese Straßensanierung vermutlich auch noch bis 2015 und damit vier Jahre. Es gibt mehrere Bauherren, weil nicht nur der Asphalt gemacht wird, sondern Leitungen verlegt und Straßenbahnschienen gebaut werden.

Die Invalidenstraße ist nur eine von vielen Dauerbaustellen dieser Art – und der Beweis, daß das Desaster um den Großflughafen BER kein bedauerlicher Einzelfall, sondern die Regel ist. Kostenpunkt für den Steuerzahler: bislang 66 Millionen Euro.

Bund, Länder und Gemeinden freuen sich regelmäßig über Rekordeinnahmen an Steuern. Aber mit dem Geldsegen wächst auch die Verantwortungslosigkeit. 640 Milliarden Euro nimmt der deutsche Staat 2014 wohl ein. Eine phantastische Summe. Leider wird viel zuviel von diesem Geld verplempert.

Reiner Holznagel sagt dieser Verschwendung den Kamf an. Der Präsident des Bundes der Steuerzahler (BdSt) präsentiert nur 800 Meter von der Invalidenstraße entfernt seine Aktion Frühjahrsputz. Er sieht ein sofortiges Sparpotential von 20 Milliarden Euro.

Hahnensperma und Ökoerdbeeren

Dabei sind viele heiße Eisen in seiner Rechnung noch gar nicht enthalten, weil der BdSt grundsätzlich Sozialleistungen nicht in Frage stellt. Oder sie sind aus formalen Gründen nicht auf seiner Liste: Die Aktion Frühjahrsputz bezieht sich nur auf den Bundeshaushalt. Die Dauerbaustelle in der Invalidenstraße ist eine Landessache. Auch der BER taucht in Holznagels Rechnung nicht auf.

Besondes spektakulär sind einige Forschungsprojekte, die sich der deutsche Staat schenken könnte: Da sind zum Beispiel die 480.000 Euro vom Bundeslandwirtschaftsministerium für das Einfrieren von Hahnensperma bei minus 19 Grad. Dadurch soll das Überleben der vom Aussterben bedrohten Hühnerrassen sichergestellt werden. Da die Lebensmittelindustrie nur auf einige besonders leistungsfähige Hühnerrassen setzt, drohen die schwächeren auszusterben.

Ärgerlich sind auch die Subventionen für Hollywoodfilme. Während sich die Produzenten von „Stromberg“ das Geld zusammenbetteln mußten, erhielt George Clooney für seinen Kriegsfilm „Monuments Men“ 8,5 Millionen und die Produzenten von „Tarzan 3D“ vier Millionen Euro. Der Steuerzahler fördert auch das Deutsch-französische Büro für erneuerbare Energien. Dabei handelt es sich um einen Branchenverband von vorwiegend deutschen und französischen Versorgungsunternehmen wie Eon oder Total. Landesbanken und Behörden gehören auch dazu.

Diese Mitgliedsfirmen kommen aber zusammen nur für die eine Hälfe der Kosten auf, deren genaue Höhe im BdSt-Bericht nicht genannnt wird. Die andere Hälfte zahlen die deutsch-französischen Steuerzahler. Und damit nicht genug. Das deutsche Umweltministerium hat gerade weitere 300.000 Euro für Kommunikationsmaßnahmen lockergemacht. „Bleibt die Frage, warum die Finanzierung der Vernetzung nicht den Mitgliedsunternehmen überlassen werden kann?“ heißt es dazu im Bericht.

Solche Aktionen des Steuerzahlerbundes, zu denen auch die Vorstellung des jährlichen Schwarzbuches gehört, sind stets eine Momentaufnahme. Und sie decken in der Regel nur den Bereich echter Verschwendung ab. Politisch gewollte Umverteilungsmaßnahmen werden darin nicht oder nur selten angetastet, egal wie schädlich sie volkswirtschaftlich und für den einzelnen Steuerzahler auch sein mögen. Indirekte Steuern wie die EEG-Umlage, die Unternehmen im Auftrag des Staats den Kunden abzwacken, finden daher auch keine Berücksichtigung.

Auch das Asylbewerberleistungsgesetz etwa oder staatliche Bildungseinrichtungen werden nie grundsätzlich hinterfragt. Um so überraschender ist es, daß der Steuerzahlerbund bei der Aktion Frühjahrsputz ausnahmsweise eine Sozialleistung ins Visier genommen hat; das Betreuungsgeld. „Das neue Betreuungsgeld ist ersatzlos zu streichen“, heißt es nüchtern. Zudem sei das Elterngeld zu reduzieren.

Daß das Betreuungsgeld ein typisch deutscher Kompromiß ist, dem die milliardenschwere Einführung staatlicher Krippenversorgung vorangegangen ist, bleibt unbeanstandet. Konsequent wäre es, wenn der BdSt auch diese Fehlentscheidung aufs Korn genommen hätte und ebenso die Finanzierung von Kindergartenplätzen durch den Staat kritisieren würde. Immerhin wagt der Verband sich an die Subventionen für eine Kanzlervertraute, nämlich Alice Schwarzer. Deren „FrauenMediaTurm“ wird mit 600.000 Euro gesponsert, obwohl sich kaum jemand in dieses „Archiv“ verirrt. Der Staat gibt damit 622 Euro pro Besucher aus, hat der Focus errechnet. „Zuviel“, urteilt der Steuerzahlerbund.

Damit ist die Aktion ein Sparprogramm, das es verdient hätte, umgesetzt zu werden. „Es darf keine Tabus geben“, fordert Holznagel. Es seien die Abgeordneten, die einen Mentalitätswechsel einleiten müßten. Sie müssen lernen, bei Gesetzen nein zu sagen.

Bund der Steuerzahler. Aktion Frühjahrsputz. 38 Seiten, kostenfrei bestellen oder downloaden unter www.bdst.de

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