© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/14 / 04. April 2014

Alles halb so schlimm
Armutseinwanderung: Ein Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen der Freizügigkeit von Rumänen und Bulgaren versucht ein positives Bild zu zeichnen
Christian Schreiber

Das hatte sich die CSU sicherlich ganz anders vorgestellt. „Wer betrügt, der fliegt“, tönten die Christsozialen zu Jahresbeginn und eröffneten damit den Europawahlkampf. Armutsflüchtlinge aus EU-Mitgliedsländern sollten aus Deutschland ausgewiesen werden können, sofern sie sich nicht ausreichend um eine Arbeit bemühen und Sozialleistungen kassieren. Doch ein Zwischenbericht einer Staatssekretärsrunde zeigt, daß dies so einfach nicht geht. Denn das Recht auf Freizügigkeit für Arbeitsnehmer wird innerhalb der Europäischen Union sehr weit ausgelegt. Selbst wer des Mißbrauchs überführt ist, darf bislang nach der Ausweisung gleich wieder einreisen.

Dies geht aus dem 133 Seiten starken Papier hervor, das Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in der vergangenen Woche vorstellten. Nationale Wiedereinreisesperren bei „Rechtsmißbrauch“ und „Betrug“ seien grundsätzlich denkbar, heißt es demnach, diese seien allerdings nur zeitlich begrenzt anwendbar. Zum Inhalt des Berichts gibt es unterschiedliche Sichtweisen. Während der Minister auf zahlreiche Probleme hinwies, wurden Medien nicht müde zu betonen, die Lage sei bei weitem nicht so schwierig, wie von der CSU beschrieben.

„Das Problem ist bundesweit überschaubar, aber regional durchaus besorgniserregend“, glaubt Innenminister de Maizière. In dem Papier schlagen die Politiker vor, die zulässige Aufenthaltsdauer zur Arbeitssuche zu befristen und die Auszahlung von Kindergeld an strengere Vorgaben zu knüpfen. So solle verhindert werden, daß Behörden für ein Kind doppelt Geld auszahlen. Zudem solle die Gewerbeaufsicht Probleme wie Scheinselbständigkeit und Schwarzarbeit besser bekämpfen. Flächendeckende Schwierigkeiten bestünden keine. „Die Probleme konzentrieren sich bisher auf bestimmte Städte, die ohnehin schon soziale Brennpunkte aufweisen“, sagte de Maizière: „Deswegen ist es aber auch richtig, jetzt gegenzusteuern, damit daraus kein Problem für Deutschland als Ganzes wird“, fügte er hinzu. Seit dem 1. Januar 2014 gilt für Menschen aus Bulgarien und Rumänien die volle Arbeits- und Niederlassungsfreiheit in der Europäischen Union. Sie brauchen seitdem keine Arbeitserlaubnis mehr, um sich in Deutschland niederzulassen und eine Arbeit zu suchen.

Beide Staaten sind seit 2007 EU-Mitglieder. Die Zahl der Zuwanderung aus diesen Ländern stieg in den vergangenen Jahren – vor allem in Ballungsgebieten deutlich. Der Bericht nennt Städte wie Duisburg, Offenbach, Frankfurt am Main, München, Dortmund, Hamburg, Hannover oder Mannheim. Die Zahl der Hartz-IV-Bezieher aus den beiden südosteuropäischen Ländern stieg von 2012 auf 2013 um etwa 50 Prozent. Für die beiden Minister der Großen Koalition dennoch nur ein regionales Problem. Die von der Zuwanderung und dem Anstieg der Sozialkosten besonders betroffenen Städte sollen in den nächsten sieben Jahren 200 Millionen Euro an Unterstützung erhalten.

Studie blendet Ost-Erweiterung aus

Diese sollen vor allem über das Städtebauförderprogramm „Soziale Stadt“ fließen oder aber aus europäischen Hilfs- und Sozialfonds, aus denen mit 140 Millionen der größte Anteil stammt.

Städtetagspräsident Ulrich Maly sagte der Süddeutschen Zeitung, es sei „sehr zu begrüßen, daß die Bundesregierung das Thema inzwischen deutlich ernster nimmt als noch vor einem Jahr“. Nach Ansicht des Städtetages beschränken sich die Probleme bisher „auf Schwierigkeiten mit sozial schwer integrierbaren Familien“. Diese Tendenz könne sich noch weiter verstärken.

Pünktlich zu dem Regierungsbericht wurde auch eine Studie der Bertelsmann-Stiftung veröffentlicht, die die Notwendigkeit weiterer Zuwanderung belegen soll. „Die Studie zeigt, daß sich die Struktur der Zuwanderung nach Deutschland im vergangenen Jahrzehnt grundlegend verändert hat: waren im Jahr 2000 die Neuzuwanderer mehrheitlich niedrig qualifiziert, so Waren sie zehn Jahre später mehrheitlich hochqualifiziert“, heißt es. Allerdings beschränken sich die Erhebungen auf den Zeitraum bis zum Jahr 2009. Die Folgen der EU-Osterweiterung bleiben unerwähnt.

Kommentar Seite 2

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