© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/14 / 04. April 2014

Der Macho mahnt die Memmen
Klare Worte: Akif Pirinçcis „Deutschland von Sinnen“ ist politisch unkorrekt und sogar vulgär, vor allem aber: ein patriotisches Plädoyer
Michael Paulwitz

Deutschland, o du goldenes Elysium! Du kraftvoller Stier! Du bist die Macht, die ganz Europa trägt! Du bist das schönste aller schönen Länder! (…) Du bist das Paradies, und ganz gleich, wie viele Hurensöhne dich noch verraten werden, am Ende wirst Du sie alle überleben.“ Nein, Akif Pirinçci meint es absolut nicht ironisch, wenn er sein Buch mit dieser blumig-orientalischen Liebeserklärung an das Land, in dem er seit 45 Jahren lebt, beginnen läßt. Er macht sich Sorgen um „Deutschland, liebste Mutter“, denn Deutschland ist „von Sinnen“, und schuld daran ist „der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer“.

Hier folgt kein nüchternes, mit Zahlen, Statistiken und Fußnoten abgesichertes Sachbuch à la Sarrazin. Der erste Nicht-Roman des 1959 in Istanbul geborenen Autors, der vor einem Vierteljahrhundert als Erfinder des Katzen-Krimis „Felidae“ berühmt geworden war, ist eine Streitschrift. Mal polemisch, mal derb, mal wütend, mal nachdenklich, poetisch gar, aber immer mit heißem Herzen geschrieben: ein Sarrazin fürs Saftige, sozusagen, der politisch-korrekte Tabus von der entgegengesetzten Seite her angreift. „Deutschland von Sinnen“ ist drauf und dran, den Bestseller-Erfolg von „Deutschland schafft sich ab“ zu wiederholen: Einer, von dem man’s nicht erwartet – türkischer Einwanderersohn, Erfolgsautor, Liebling der Kulturszene –, spricht unbequeme Wahrheiten offen und direkt aus.

Zarter besaitete Konservative mag der vulgäre Ton, den Pirinçci bisweilen anschlägt, irritieren. Von der Lektüre sollte das nicht abschrecken: Die rotzige Punkrock-Pose, der drastische Einsatz von Fäkal- und Genitalvokabular, ist kalkulierte Attitüde. Zum einen, um in der abgestumpften und reizüberfluteten Mediengesellschaft auf die Pauke zu hauen. Ein eingestreuter Fluch macht den Text süffiger und ermuntert zum Facebook-Teilen. Zum anderen aber: Pirinçci spielt bewußt mit dem Klischee des Macho-Türken, der sich von keinem einschüchtern läßt, wenn er „Mutter Deutschland“ mit Klauen und Zähnen verteidigt – und will so den Gesinnungswächtern den Schneid abkaufen: „Es ist mir scheißegal, ob man mich einen Nazi schimpft oder eine Klobürste.“

Im leicht ratlosen linksliberalen Feuilleton kursiert inzwischen, wie auf Kommando, das gönnerhafte Wort von der „Man-wird-ja-wohl-noch-sagen-dürfen-Literatur“, mit dem man Akif Pirinçci in die Sarrazin- und irgendwie „rechte“ Ecke stellen will. So richtig will das nicht gelingen, denn hinter der schnoddrigen Sprache steckt ein heller und differenziert argumentierender Kopf. Er polemisiert über die Hofierung abweichender sexueller Orientierungen als Symptom des derangierten mentalen Zustandes des Landes, über den „zur Memme transformierten deutschen Mann“, die Verächtlichmachung von Ehe und Heterosexualität, „das Starterset der Menschheit“, benennt aber auch Ursachen: die Herkunft aus der anarcholinken Ecke, wo man das Ziel verfolgte, „die verhaßte bürgerliche Gesellschaft mittels anstößigen Zungerausstreckens der Lächerlichkeit preiszugeben und sie in ihren Grundfesten zu erschüttern“, und die Dominanz der von „Staatsknete“ lebenden Lobbys, die die „Geisteskrankheit namens Gender Mainstreaming“ als Macht- und Geldmaschine entdeckt haben.

Homosexualität störe ihn nicht, er verachte sie auch nicht, nur solle sie Privatsache bleiben. Selbiges fordert er auch vom Islam, denn der – Obacht, Herr Wulff – „gehört zu Deutschland wie die Reeperbahn nach Mekka“. Pirinçci wagt sich auf vermintes Gelände: Die „Islam-Ideologie“ wirke wie „Anti-Evolution“. Wo Frauen den Partner nicht selbst wählen dürften, sondern wie Kollektiv-eigentum aufgeteilt würden, sinke der Wettbewerb, falle die Durchschnittsintelligenz. Wer ihn mit dieser „Steilvorlage“ zum „Rechtsradikalen“ stempeln wolle, solle sich zuerst die WHO-Zahlen zum Durchschnitts-IQ-Ländervergleich abholen.

Woher nun aber der „irre Kult um Menschen, die kein Facebook erfunden haben, sondern nur die Einrichtung von Gebetsräumen und Miniaturmoscheen in unseren Unis“? Zum einen die „systematische Gesellschaftszerstörung durch die Grünen im Schulterschluß mit den linkslastigen Medien“, wobei er mit „Grüne“ vor allem die „in antikapitalistische Schämt-euch!-Attitüde verkleidete Hippie- und Kommunistendenke (…) und den sich intellektuell gebenden Selbsthaß auf das eigene Land und das eigene Volk“ als Mittel der moralischen Erpressung meint.

Und zum zweiten: die Angst – die der Durchschnittsdeutschen vor den moralischen Gesinnungswächtern und die aller zusammen vor der Gewaltdrohung: „Es leben inzwischen zu viele Muslime in diesem Land, als daß man sich ihres nicht zivilisierbaren Anteils problemlos entledigen könnte, ohne einen Bürgerkrieg, wenn nicht gar einen richtigen Krieg zu riskieren“ – und zudem „sind die autochthonen Jungmänner durch die jahrelange feministisch-pazifistische Gehirnwäsche inzwischen derart verweichlicht, daß sich nicht einmal bei Polizei und Bundeswehr auch nur tausend Mann für die kriegerische Abwehr finden würden. Also redet man sich die Mörder der eigenen Kinder schön.“

Dabei differenziert Pirinçci durchaus: Nicht die „friedliebende Mehrheit“ der Muslime ist gemeint, sondern die, die „als steinzeitlich religiöse Spaltpilze“ agieren. Natürlich gebe es auch in Deutschland „ekelhafte Ausländerhasser“, allerdings im vernachlässigbaren Promillebereich, verglichen etwa mit der Christenverfolgung in der arabischen Welt und in Afrika. Das „Wehklagen über die Diskriminierung“ aber soll zum einen der Dreistigkeit rüpelhafter Integrationsverweigerer Vorschub leisten, zum anderen reichlich Steuergeld lockermachen für die „Migrationsindustrie“, die von ihnen lebt.

Pirinçcis Botschaft, die er gern mit Filmszenen und Filmtiteln untermauert, lautet: Weg mit der Angst. Sprecht einfache Wahrheiten aus. Einwanderer sollen ihr Herkunftsland vergessen, sich anpassen, etwas leisten, oder nach Hause geschickt werden, „bevor sie uns die Haare vom Kopf fressen“ – nicht mal der böse Sarrazin habe sich getraut, das zu sagen. „Uns“ – damit meint Pirinçci autochthone Deutsche ebenso wie sich und all jene Einwanderer, die Deutschland lieben, es als ihr Land betrachten und ihm nützen wollen. Traut euch, den monströsen öffentlich-rechtlichen Staatsfunk und den ausbeuterischen Umverteilungs- und Steuerstaat durch massenhaften Zahlungsboykott in die Knie zu zwingen, fordert Pirinçci gut libertär in seiner Vision vom idealen Staat. Kein Geld für Schmarotzer, nur für wirklich Bedürftige.

„Und vergessen Sie eins nicht, es gibt keine Politikerkaste auf der ganzen Welt, die das eigene Volk aus reinem Masochismus, Opportunismus, nackter Heuchelei und schizophrener Unterwürfigkeit gegenüber deutschfeindlichen Ländern so sehr haßt, die ihm ganz bewußt so viel Schaden zufügen will wie unsere eigene.“ Aber was kann Deutschland schon passieren, „wenn wir, deine starken deutschen Söhne und Töchter, vor und hinter dir stehen?“ So könnte er aussehen, ein mit türkischem Stolz bereicherter neuer deutscher Patriotismus.

Akif Pirinçci: Deutschland von Sinnen. Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer. Manuscriptum-Verlag, gebunden, 276 Seiten, 17,80 Euro

Foto: Bundesadler mit Accessoires: Feminismusabzeichen, Regenbogenfahne der Homobewegung und Migrantensymbol – Zeichen eines „irren Kults“

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