© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/14 / 04. April 2014

Feiern für die Selbstbestimmung
Europäische Autonomiebewegungen: Stimmungsvoll präsentierten Katalanen, Flamen, Südtiroler, Schotten in Brüssel ihr Anliegen
Mina Buts

Ein Fahnenmeer wehte am Sonntag im Brüsseler Jubelpark. Ausgerechnet das Monument, das zu Ehren des 100jährigen Bestehens des Staates Belgien errichtet worden war, bildete die Kulisse für eine der größten Demonstrationen für das Selbstbestimmungsrecht der europäischen Völker. Mehr als 10.000 Demonstranten kamen zusammen, davon allein 4.000 Katalanen. Südtiroler waren ebenso angereist wie Schotten, Schlesier, Lombarden, Sardinier, Venetier, Basken, dazu noch einige tausend Flamen.

Auch wenn das Programm kurzfristig umgestaltet werden mußte – die Brüsseler Stadtverwaltung hatte bis zum Schluß die schriftliche Zustimmung zu dem geplanten Fest im Jubelpark verweigert –, tat das der Stimmung keinen Abbruch. Im Gegenteil, angemeldet wurde statt dessen ein Demonstrationszug.

Dieser zog dann, begleitet von Musikkapellen und einem Riesen, wie sie auf flämischen Straßenumzügen üblich sind, die fast drei Kilometer lange Strecke mitten durch das europäische Viertel von Brüssel. Ab und zu öffneten sich Fenster und Bewohner feuerten die Katalanen mit dem Ruf „Independencia“ an.

Unglaubliche Lebensfreude ging von der großen katalanischen Gruppe aus, die singend und tanzend durch die Straßen zog. Diesen Optimismus teilte deren Sprecherin Anna Arqué auch gegenüber der JUNGEN FREIHEIT, bedauerte aber, daß die Katalanen wegen fehlender Fahnenstangen die Flaggen auf den Rücken hätten binden müssen.

Aufgerufen zu dieser Veranstaltung hatte die ICEC, die International Commission of European Citizens, der neben flämischen Vertretern auch Schotten und Katalanen angehören. Bart De Valck, Vorsitzender der Flämischen Volksbewegung (VVB) und Organisator der Veranstaltung, erklärte gegenüber der JF, nur die drei bildeten ICEC, weil in diesen drei Regionen die Unabhängigkeitsbemühungen am weitesten gediehen und teilweise schon in greifbare Nähe gerückt seien.

Eine Beteiligung der Südtiroler, Venetier und Basken war von vornherein geplant, allerdings war die baskische Beteiligung kaum wahrnehmbar. Ganz anders hingegen die Südtiroler. Sie waren mit zwei Bussen angereist, einer davon mit Schützen, der andere mit Vertretern der SVP, darunter auch Eva Klotz und ihre Schwester. Bekleidet mit ihren traditionellen Trachten, Lederhosen und Dirndln waren sie wirklich ein Blickfang.

Doch selbst die Veranstalter waren überrascht von der Vielzahl der teilnehmenden Gruppen. Da fanden sich fünfzig in den Niederlanden und Belgien wohnende Schwarze ein, die für die Anerkennung von „Somaliland“ eintraten, Kurden waren ebenso vertreten wie Palästinenser, Sumatrer, Balinesen und Bewohner von Burkina Faso. Noch einmal De Valck: „Mit so einer Vielfalt haben wir gar nicht gerechnet. Aber wir freuen uns über jeden, der unsere Anliegen unterstützt.“ Einige in Deutschland lebende Schlesier, erkennbar an ihren T-Shirts mit dem Aufdruck „My som my“, warben für die Stärkung der Rechte der Schlesier in Polen und erklärten, daß es neben den 150.000 Deutschen in Schlesien dort auch noch weitere 750.000 Menschen gebe, die sich zum Schlesiertum bekennen.

Veranstalter wollen die Demonstration wiederholen

Auch aus Flandern selbst waren die unterschiedlichsten Gruppen zusammengekommen. Neben der flämischen Jugendbewegung VNJ, die eher national ausgerichtet ist, reihte sich wie selbstverständlich die Flämische Sozialistische Bewegung (VSB) ein, die als Linke für flämische Unabhängigkeit eintritt. Auffällig war die große Beteiligung der N-VA, der eher moderaten flämisch-nationalen Partei. Nicht nur deren Fraktionsvorsitzender Jan Jambon, sondern auch etliche Parlamentsabgeordnete sowie der Vorsitzende des Vlaams Belang, Gerolf Annemans, marschierten mit.

Das mag dem Wahlkampf geschuldet sein – Ende Mai wird in Flandern nicht nur das Europaparlament, sondern auch das belgische und das flämische Parlament neu gewählt. Jambon beeilte sich jedenfalls, im flämischen Fernsehen zu erklären, er stehe nicht für ein unabhängiges Flandern, wohl aber für ein föderalistisches Belgien.

Bart De Valck versprach in seiner Schlußansprache, wenn die flämisch-nationalen Parteien die Botschaft dieses Tages nicht verstanden hätten, dann würden hier im kommenden Jahr 20.000 Menschen stehen.

Foto: Tausende demonstrierten in Brüssel für ein sich wandelndes Europa: Aufspielende Schotten, stolze Katalanen und Venetier machten am Wochenende fröhlich auf sich aufmerksam

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