© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/14 / 04. April 2014

Unterwegs zur Heimat
Literarischer Erbe Martin Heideggers: Der Schriftsteller Arnold Stadler feiert am 9. April seinen sechzigsten Geburtstag
Felix Dirsch

Landsmannschaftliche Herkunft, konfessionelle Prägung und Geburtsort hinterlassen bei dem Schriftsteller Arnold Stadler nachhaltige Spuren. Wer in Meßkirch geboren wird, kommt als Intellektueller nicht umhin, sich mit dem „saugscheiten“ Sohn der Stadt, Martin Heidegger, auseinanderzusetzen. Stadler wie Heidegger wählen zu Beginn ihres Studiums das Fach Theologie und beabsichtigen, den Priesterberuf zu ergreifen. Später orientieren sie sich neu. Der Jüngere der beiden Söhne des oberschwäbischen Ortes beendet sein Theologiestudium und wechselt zur Germanistik. Beide Autoren pflegen zeitlebens ein kritisches Verhältnis zur katholischen Herkunft. Bei Stadler, der Heidegger anläßlich der Feierlichkeiten zu dessen 80. Geburtstag als Gymnasiast erlebt, ist das Verhältnis gegenüber der angestammten Religion noch komplizierter. In den Büchern des heute in Rast lebenden Autors sind Frömmigkeit und Ungläubigkeit fast unauflöslich miteinander verwoben.

Stadlers Ausrichtung steht quer zum Zeitgeist. Peter Hamm, Laudator bei der Verleihung des renommierten Georg-Büchner-Preises 1999, hebt in seiner Rede das konservative Element des Stifter-Verehrers Stadler hervor, der „in gänzlichem Gegensatz zur herrschenden hedonistisch-heidnischen Spaßkultur“ stehe. „Gegen deren drei Tabuthemen – nämlich Alter, Tod und Gott – verstößt Stadler mit einer Vorsätzlichkeit, deren innerster Antrieb – ich scheue das verpönte Wort nicht – Frömmigkeit sein muß“. Die Problematik „Heimat“ läßt bei dem Bauernsohn nicht selten einen globalisierungskritischen Zug erkennen.

Romantrilogie um Heim- und Fernweh

Im ersten Band einer autobiographisch gefärbten Trilogie „Ich war einmal“ ist der Abschiedsschmerz überall gegenwärtig. Der Bauer geht mehr und mehr in die Fabrik. Mit dem hier verdienten Geld kauft er sich Maschinen und betreibt die Landwirtschaft als Nebenerwerb.

Der folgende Roman „Feuerland“ dreht sich um einen fünfunddreißigjährigen Erzähler, der sich nach Patagonien begibt, um seinen 1938 ausgewanderten Onkel zu besuchen.

Auch hier geht es um Heim- und Fernweh. Im abschließenden dritten Teil „Mein Hund, meine Sau, mein Leben“ (1994) durchläuft das Kind in dem ebenfalls autobiographisch grundierten Text die Grundschule, während der große Freiburger Philosoph „Ur-altem, Heile-Welt-Wörtern, dem Habemus“ der Sprache nachspürt. Am Ende steht ein gescheiterter Theologe, der als Grabredner sein Dasein fristet und gar noch den Verlust des Bauernhofes erlebt. Viel diskutiert wurde auch Stadlers 1999 erschienener Beziehungsroman „Ein hinreißender Schrotthändler“.

Es bleibt ein Verdienst Stadlers, in Zeiten von weltumspannender Mobilität, globalen Kapitalströmen und omnipräsenter Kommunikation auf die Bedeutung von Heimat hinzuweisen, „im Grunde alles nach Hause geschrieben“ zu haben. Am kommenden Mittwoch wird er sechzig.

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