© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/14 / 11. April 2014

„Ich liebe Deutschland“
Der Fall Pirinçci zeigt: Immer mehr Einwanderer brechen mit der ihnen zugeschriebenen Rolle. Auch der renommierte Sprachwissenschaftler Marron C. Fort hat einen kritischen Kopf.
Moritz Schwarz

Herr Dr. Fort, hat Akif Pirinçci recht?

Fort: In der Sache spricht er mir in vielen Dingen aus der Seele.

Inwiefern?

Fort: Wenn es in den Medien um Einwanderer geht, dann in der Regel um solche, die keinen großen Respekt vor Deutschland zu haben scheinen und sich mit dem deutschen Paß nur absichern wollen. Es gibt aber auch viele Einwanderer wie Akif Pirinçci, die einen positiven Bezug zu Deutschland haben, aber das scheint die Medien nicht zu interessieren, es sei denn, daß sich die Betroffenen aus eigener Kraft mit einem Buch zu Wort melden.

Was unterscheidet Sie von anderen Einwanderern?

Fort: Wie Pirinçci liebe ich Deutschland, deshalb bin ich ja hierhergekommen. Und wie er habe ich mit Bestürzung feststellen müssen, wie wenig Bewußtsein die Deutschen für ihre eigene Kultur haben. Eines meiner Lieblingsdramen ist „Der Prinz von Homburg“, das ich in all meiner Zeit in Deutschland nur ein einziges Mal im Fernsehen gesehen habe, und da haben sie auch noch das Ende verdreht. Offenbar erschien ihnen der preußische Gedanke des Gehorsams, den Kleist in den Vordergrund stellt, so unerträglich, daß sie es mit einer Revolution haben enden lassen. Früher haben die Deutschen die großen preußischen Tugenden wie Disziplin, Ordnungssinn, Ehrlichkeit, Fleiß und Strenge zuerst gegenüber sich selbst in Ehren gehalten. Heutzutage wird das alles als Kadavergehorsam verunglimpft. Jemand wie Oskar Lafontaine würde sagen: „Das sind Tugenden, mit denen man auch ein KZ leiten kann.“

Ein Journalist hat Sie einmal einen „schwarzen Preußen“ genannt.

Fort: Als ich 15 war, sagte mein Lehrer – der Rittmeister im Ersten Weltkrieg gewesen war – zu mir: „Fort, wir werden aus dir einen Preußen machen! Auf das Aussehen kommt es nicht so genau an.“

Laut „Welt“ ähneln Sie Harry Belafonte.

Fort: Ja, ich bin eher café-au-lait-braun und könnte als Belafontes nicht so gut aussehender Bruder durchgehen.

Statt Preuße sind Sie Ostfriese geworden.

Fort: Ostfriesland war eine preußische Provinz, aber Preuße sein ist ja mehr eine Frage der Haltung. Landsmannschaftlich bin ich heute in der Tat Friese.

„Der letzte Saterfriese“ überhaupt, wie die Deutsche Welle meint.

Fort: Der letzte sicher nicht, noch gibt es gut 2.000 Saterfriesen und die sind natürlich begeistert, wenn jemand ihre Sprache gründlich erforscht und hilft, sie vor dem Aussterben zu bewahren.

Wie kommt ein Schwarzer aus den USA dazu, führender Experte für Deutschlands kleinste Sprachminderheit zu werden?

Fort: Ich habe mich schon früh für Deutschland und die deutsche Sprache begeistert. Obwohl ich keinerlei deutsche Wurzeln habe, traf ich aber immer wieder auf Deutsch-Amerikaner, die mich unterstützt haben und mir das Deutschsein näherbrachten. So verband ich mit Deutschland nie Krieg und Holocaust, sondern Menschen, die mich gemocht und gefördert haben. Bei ihnen fand ich Anerkennung und Zuwendung und auch Werte wie Disziplin, Fleiß, Ordnung und Pünktlichkeit.

In den achtziger Jahren wanderten Sie nach Deutschland ein, wo der „Rassismus in der Mitte der Gesellschaft“ angeblich tief verwurzelt ist.

Fort: Rassismus habe ich in Deutschland selten erlebt. Wenn Sie Rassismus in einem marginal deutschsprachigen Land suchen wollen, dann sollten Sie nach Österreich oder in die Schweiz fahren.

Aber Sie sind doch in die tiefste Provinz gezogen, da wo er am schlimmsten ist.

Fort: Ich bin von Natur aus höflich und korrekt, aber sehr distanziert, äußerst zurückhaltend und – ich gebe es zu – etwas grimmig und abweisend. Rassistische Zwischenfälle ereignen sich meistens, wenn sich der Fremde zu sehr für die ortsansässige Weiblichkeit interessiert oder die Stammkneipen der Einheimischen besucht. Diesen Fehler habe ich nie begangen. Sie vergessen, daß ich akzentfreies ostfriesisches Platt und Saterfriesisch spreche, was mich erheblich weniger fremd macht als einen bayrischen Gast. Oder, wie ich immer sage: „Lieber schwarz mit Platt, als blond ohne Platt.“

Aber auch Sie hörten doch Sprüche wie: „Da kommt der schwarze Heini.“

Fort: Dieser Spruch stammte von Menschen, die mich nie in propria persona erlebt hatten. Als sie mich dann aber kennenlernten, gab es kaum Probleme, im Gegenteil. Die Menschen im Saterland und in Ostfriesland haben mich ausschließlich als Sprachwissenschaftler erlebt und nicht als Kneipenbesucher, Bluessänger oder Blondinenjäger. Deswegen wurde ich ernst genommen. Aber das zeigt doch, daß man nicht von Rassismus sprechen kann, denn dann hätten sie mich in jedem Fall abgelehnt, egal wie ich mich benehme. Nein, ich denke, in Deutschland haben wir nicht in erster Linie ein Rassismus-Problem, sondern das Problem, daß wir vor allem Einwanderer haben, die ständig „Ich will!“ und „Du mir geben!“ sagen. Kein Wunder, daß die nicht beliebt sind, und das wird dann den Deutschen als Rassismus ausgelegt. Da wird Ursache und Wirkung vertauscht.

Und doch wurden Sie diskriminiert.

Fort: Stimmt, allerdings nicht von den Deutschen an sich. Die Deutschen sind sogar die Weißen, mit denen ich, anders als etwa in den USA, keine Probleme wegen meiner Rasse hatte. Diskriminiert wurde ich, weil die Linken in Deutschland nicht akzeptieren konnten, daß ich anders denke als extrem linke Schwarze wie Jesse Jackson oder Barack Obama. Wegen meiner preußischen Ansichten hat man immer wieder versucht, mich fachlich zu degradieren. Es wurde mir berichtet, daß man bei Radio Bremen etwa oder am Niederdeutschen Institut deshalb alles getan habe, um mich fernzuhalten. Nun gut, ich habe vielleicht auch Fehler gemacht. Die USA haben sich nach 1945 sehr bemüht, die Kommunisten aus Deutschland herauszuhalten. Nun kam ich an die Uni Oldenburg, und alles war voller Spartakusbund, DKP und wie sie alle heißen. Ich habe mich da dann vielleicht auch provozierend verhalten, etwa als ich etwas flapsig sagte, fast habe man den Eindruck, Karl Marx sei wohl der Präsident der Universität.

In einem Interview haben Sie gesagt: „Als ehemaliger Amerikaner weiß ich, daß es eine multikulturelle Gesellschaft nicht geben kann.“ Warum nicht?

Fort: Die verschiedenen ethnischen Gruppen kapseln sich voneinander ab. In meiner Heimatstadt an der Grenze zu Québec gab es eine irisch-katholische Kirche, eine polnisch-katholische Kirche und eine französisch-kanadisch-katholische Kirche. Die Leute hatten nichts miteinander zu tun. In Deutschland haben Muslime und Christen nichts miteinander zu tun.

Aber viele Personen des öffentlichen Lebens in den USA sind Farbige.

Fort: Der Schein trügt. Schwarze und weiße Amerikaner leben überwiegend in rassisch getrennten Wohngebieten und haben kaum Kontakt zueinander. Ein erheblicher Teil der Schwarzen dort ist kriminell, und ich würde sagen, daß etwa siebzig Prozent der Schwarzen im europäischen Sinne nicht zivilisiert sind.

Wie meinen Sie denn das?

Fort: Viele schwarze Amerikaner sind grob, ungebildet, unhöflich, chaotisch. Die Vorbilder der schwarzen Ghettokinder sind Drogenhändler und Zuhälter. Schwarze, und nicht nur Ghetto-Schwarze, haben miserable Umgangsformen, kennen keine Disziplin und haben keinen Respekt vor Frauen. Sie haben keine Achtung vor Bildung und gründen selten stabile Familien. Sechzig Prozent der schwarzen Kinder wachsen ohne Vater auf. Die Zahl der von Schwarzen begangenen Verbrechen, einschließlich Vergewaltigung weißer Frauen – der „Zebra-Vergewaltigungen“ –, ist in vielen Großstädten astronomisch hoch. Aber darüber redet Herr Obama natürlich nicht.

Woher haben Sie Ihre Zahlen?

Fort: Ich habe fast mein halbes Leben in den USA gelebt, ich habe sogar selbst Jugendarbeit unter Schwarzen geleistet. Ich kann Ihnen sagen, viele von ihnen wollen sich einfach nicht an normale amerikanische Verhaltensformen anpassen. Versucht man, ihnen gutes Englisch, Manieren und anständiges Verhalten beizubringen, kommt immer die empörte Entgegnung, man wolle sie „zu Weißen machen“. Nicht einmal zum Basketballspielen konnte man sich verabreden. Der Puertoricaner kam eine Stunde, der Schwarze anderthalb Stunden zu spät. Stellte man sie zur Rede, war die Antwort: „Wir kommen nach CPT.“ „Was bitte ist CPT?“ „Coloured People’s Time“, also nicht nach offizieller Uhrzeit, sondern der „Uhrzeit der Farbigen“.

Ist das, was Sie da sagen, nicht blanker Rassismus?

Fort: Rassismus? Sie haben ja keine Ahnung! Ich sage Ihnen, was Rassismus ist! Meine Eltern, Großeltern und Urgroßeltern waren Akademiker – absolut ungewöhnlich für eine schwarze Familie. Dennoch sagte mein Lehrer zu mir: „Man wird dich in diesem Land nie wirklich akzeptieren, dir überall Steine in den Weg legen.“ Meine Eltern haben an Eliteuniversitäten studiert, mein Vater war der erste schwarze Ingenieur, der am berühmten MIT – dem Massachusetts Institute of Technology – promoviert wurde, später wurde gar ein Stipendium nach ihm benannt. Und dennoch, und obwohl er der beste Doktorand seines Jahrgangs war, hat er keinen Job in der US-Chemie-industrie bekommen. Das ist Rassismus! Ich selbst habe erleben müssen, wie das Haus eines schwarzen Radiologen, der in eine weiße Nachbarschaft gezogen war, bis auf die Grundmauern niedergebrannt und er und seine Familie verjagt wurden. Das ist Rassismus! Und auch mich hat man immer wieder meine Rasse spüren lassen, obwohl ich an mehreren Eliteuniversitäten studiert habe. Kollegen dachten nicht daran, mich zu sich nach Hause einzuladen: „Du mußt verstehen Marron, die Nachbarn ...“ Suchte die Polizei einen Schwarzen, wurde ich auf der Straße kontrolliert, obwohl ich im Dreiteiler mit Aktentasche auf dem Weg zur Uni war. Das ist Rassismus! Und Rassismus ist es auch zu glauben, man könne von Schwarzen nicht Leistung, Disziplin und Anstand verlangen. Nicht zuletzt ist es Rassismus, von mir zu verlangen, daß ich aus Solidarität für den Rest des Lebens zu diesem Haufen von Rappern, Sängern und Basketballern gehören soll, die keinerlei Ehrgeiz und keine Kultur kennen und hauptsächlich unter der Gürtellinie leben, nur weil ich selbst schwarz bin. Nein danke! Dat laat ik mi neet beden!

Bitte?

Fort: „Das laß ich mir nicht bieten“ – auf plattdeutsch.

Aber all das will die multikulturelle Gesellschaft doch überwinden.

Fort: Nein, will sie nicht, im Gegenteil. Die meisten Zuwanderer, die hierherkommen, wollen sich nicht anpassen. Sie stellen Forderungen und Ansprüche. Und was machen wir? Verlangen wir Integration? Nein, jetzt werfen wir ihnen auch noch die deutsche Staatsangehörigkeit hinterher, als wäre es Ramschware auf dem Grabbeltisch bei Aldi. Viele Zuwanderer wollen den deutschen Wohlstand, lehnen sonst alles Deutsche ab. In den USA habe ich gelernt: Rassische und kulturelle Unterschiede scheinen eine unüberwindliche Grenze zu sein, und für viele Zuwanderer ist diese gewollt.

Sie sind doch der beste Beweis, daß das nicht stimmt.

Fort: Sie scheinen wirklich keine Ahnung von den USA zu haben. Wahrscheinlich kennen Sie sie nur aus den Nachrichten, US-Serien und dem Kino. Da wird ihnen natürlich nur gelungene Integration vorgeführt. Aber das ist Hollywood! Ich lache mich jedesmal fast tot, wenn der Polizeichef im Krimi wie üblich mal wieder ein Schwarzer ist. In Washington D.C. etwa gab es nur einmal einen schwarzen Polizeichef – und das bei 87 Prozent schwarzem Bevölkerungsanteil! Natürlich, in Armee, Politik und Showgeschäft, da funktioniert die Integration schon. Aber im Alltag der Amerikaner, in der Wirklichkeit, leben die Rassen getrennt – nicht immer, aber überwiegend. Ich habe es selbst erlebt. Egal wie gebildet, kultiviert und integriert ich war, sie haben mich wegen meiner Rasse nicht akzeptiert. Es gibt folgenden Witz: Wie nennen Weiße einen schwarzen Gehirnchirurgen? Antwort: Nigger! Verstehen Sie? Egal, was sie tun, für die Weißen sind und bleiben die Schwarzen entlaufene Sklaven. Und deshalb ist das multikulturelle Experiment so gefährlich. Weil es in Wirklichkeit nämlich nicht aufgeht, egal wie gut man es meint. Am Ende hat man eine gespaltene Gesellschaft.

Sprechen Sie vielleicht von einem Amerika, das es längst nicht mehr gibt, immerhin haben Sie die USA vor 25 Jahren verlassen?

Fort: Sie verstehen das nicht, die Kultur der USA ist von Rassenhaß tief geprägt. Es gibt einen Artikel in der Zeitschrift Rasse, geschrieben von einem deutschen Arzt zur Zeit des Dritten Reichs, der damals die USA bereiste und der sich wunderte, daß die weißen Amerikaner selbst Menschen, die so gut wie kein schwarzes Erbgut hatten, immer noch als „Neger“ klassifizierten. Das muß man sich mal vorstellen, das ging sogar einem Nazi zu weit! Sie sehen, wie tief das verwurzelt ist. Gewiß sind die Deutschen keine Heiligen, ich würde nicht sagen, daß sie ultratolerant oder völlig unrassistisch sind, aber wenn ich etwas als typisch deutsch kennengelernt habe, dann daß sie Leistung, Bildung und Kultiviertheit anerkennen. Dann spielt Hautfarbe in der Regel eine eher untergeordnete Rolle.

Dann muß Deutschland doch auch nicht wie die USA enden?

Fort: Sehen Sie denn nicht, daß auch in Deutschland eine gespaltene Gesellschaft entsteht? Kennen Sie einen Araber oder Türken? Ich nicht und nicht, weil ich Rassist bin, die haben je sogar in etwa meine Hautfarbe. Nein, sondern weil – nicht alle, aber die Masse – der Deutschen und der Einwanderer in getrennten Gesellschaften leben. Und wenn die Deutschen weiter keine Kinder bekommen, die Einwanderung zunimmt und immer mehr Einwanderer kommen, die nichts anderes gewöhnt sind, als Ansprüche zu stellen, dann prophezeie ich, daß es irgendwann – das mag noch ein, zwei Generationen dauern – auch hier zum Aufstand kommt. Eine Gesellschaft ist nur dann stabil, wenn sie eine gemeinsame Kultur hat und diese auch pflegt und in Ehren hält.

 

Dr. Marron C. Fort, Einen „fanatischen Friesen“ nannte ihn die Welt, dessen „Platt so rein ist, daß Tränen fließen“. Dabei wurde Marron Curtis Fort 1938 in Boston in einer kreolischen Familie – mit niederländischen, französischen, schwarzen und indianischen Vorfahren – geboren und wuchs in New Hampshire auf. Bei einem brandenburgischen Rittmeister lernte er Deutsch und studierte in Princeton, Philadelphia, Gent und Freiburg. Er war Professor für Germanistik an der Universität New Hampshire, später lehrte er an der Uni Oldenburg. Fort spricht neben Hoch- und Plattdeutsch fünf weitere Sprachen, darunter Saterfriesisch. Seine langjährige Forschungsarbeit zum ostfriesischen Niederdeutsch und zum Saterfriesischen zwischen Weser und niederländischer Grenze mündete in ein saterfriesisches Wörterbuch, zwei Bände mit Volkserzählungen auf saterfriesisch und einer Übersetzung des Neuen Testaments. 1988 wurde er deutscher Staatsbürger. Er heiratete eine Schlesierin und ist stolz darauf, mit seinen Kindern gutes Deutsch und kein Englisch gesprochen zu haben.

Foto: Marron C. Fort neben Johanna Wanka, heute Bundesbildungsministerin, damals Kultusministerin, bei der Verleihung des Niedersächsischen Verdienstordens an ihn: „Es gibt viele Einwanderer wie Akif Pirinçci, die einen positiven Bezug zu Deutschland haben, aber das scheint die Medien nicht zu interessieren, es sei denn wir melden uns mit einem Buch zu Wort.“

 

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