© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/14 / 11. April 2014

Sparen am Gedächtnis
Deutsche Geschichte: Die Monumenta Germaniae Historica ist gefährdet
Alexander Heimeran

Die Monumenta Germaniae Historica (MGH) sind jedem Historiker ein Begriff. 1819 von Reichsfreiherr vom und zum Stein, dem großen preußischen Reformer, begründet, sind die Monumenta weltweit berühmt für ihre auf höchstem wissenschaftlichem Niveau erarbeiteten Quelleneditionen zur deutschen Geschichte des Mittelalters, sie sind das „Gedächtnis von Kerneuropa“ (Heribert Prantl). Viten, Chroniken, Gesetzestexte, Urkunden der Kaiser und Könige, Briefe, aber auch Totenbücher der alten Klöster werden hier den Mittelalterforschern in der Originalsprache, meist Latein, zugänglich gemacht. 1945 verlegten die Monumenta ihren Sitz von Berlin nach München, wo sich der bayerische Freistaat ihrer annahm – zuvor erfüllte Preußen diese prestigeträchtige Aufgabe.

Zuwenig Drittmittel, lautet der Vorwurf

Doch die Zusammenarbeit klappt nicht mehr. Claudia Märtl, die bisherige Präsidentin, hat zum 1. April entnervt ihr Amt niedergelegt. Sie protestiert damit gegen die Art und Weise, wie Bayern mit der altehrwürdigen Forschungseinrichtung umgeht. Obwohl satzungsgemäß gewählt, wurde Märtl nicht vom bayerischen Wissenschaftsministerium ernannt. Zudem muß die Münchner Zentrale der MGH seit längerem mit einem Sparhaushalt auskommen. Märtl befürchtet, daß die Monumenta auf diese Weise nach und nach stillgelegt werden. Wie sie im Deutschlandradio Kultur beklagte, habe ein Generationenwechsel im Ministerium dazu geführt, daß andere Prioritäten gesetzt werden. Immer wieder habe das Ministerium den MGH vorgeworfen, sie verfügten über zuwenig Drittmittel.

In dieser Argumentation des Ministeriums offenbart sich nicht nur ein zeittypischer Ungeist, der den Wert geisteswissenschaftlicher Projekte nach ihren Drittmitteleinwerbungen bemißt, sondern auch eine Unkenntnis der dezentralen Struktur der MGH, die mit zahlreichen deutschen Akademien, unter anderem in Berlin, Wien und Leipzig, zusammenarbeitet. „Was bei anderen Instituten Drittmittel sind, das sind bei uns unsere Kooperationsvorhaben“, so Märtl.

„Die heilige Liebe zum Vaterland gibt den Geist“, lautet der Wahlspruch der Monumenta. Möge der Freistaat das nötige Geld dazu geben.

Kontakt: Monumenta Germaniae Historica, Ludwigstr. 16, 80539 München. Das Institut und seine Bibliothek sind Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr geöffnet.

www.mgh.de

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