© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/14 / 18. April 2014

Daimlers neue Bescheidenheit
Automobilkonzern: Seit die Stuttgarter die Gigantomanie beerdigt haben, geht es wieder aufwärts
Ronald Gläser

Im neuen Werbefilm von Daimler dreht sich alles nur noch um den Kunden. Den Brummifahrer etwa, der per Videotelefon aus seinem Lkw zu Hause anruft. Oder den Familienvater, der seine Tochter mit ihrem neuen Freund in seinem Mercedes erwischt. „It’s all about You.“ (Es ist alles deinetwegen.)

Vorbei sind die Zeiten, in denen die Stuttgarter Firmenzentrale sich in Phantasien als Global Player im Rüstungsgeschäft und Flugzeugbau ergötzte oder interkontinentale Übernahmen plante und verwirklichte. Jetzt ist wieder schwäbische Hausfrau angesagt; Der Automobilkonzern Daimler ist auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt und baut wieder Autos. Solide, wertvolle Fahrzeuge, mit denen sich gutes Geld verdienen läßt.

Alle profitieren von der neuen Bescheidenheit: Die Aktionäre kassierten in der vergangenen Woche eine Rekorddividende von 2,25 Euro (plus fünf Cent). Der Vorstand genehmigte sich ein saftiges Zwanzig-Prozent-Plus bei den Bezügen. Und auch die Mitarbeiter freuten sich über einen pauschalen 2.500-Euro-Bonus.

2,4 Millionen verkaufte Fahrzeuge, die niedrigste Rückrufquote der Branche, 75 neue Händler in China, wo das Geschäft (15 Prozent Umsatzplus) mehr und mehr in Fahrt kommt: Probleme müssen mit der Lupe gesucht werden. Eines ist das operative Ergebnis. Es lag 2013 mit vier Milliarden ein wenig unter dem Vorjahr (4,39 Milliarden). Die gute Laune und die höhere Dividende ermöglichte jedoch der erfolgreiche Verkauf der EADS-Beteiligung, was Daimler 2,3 Milliarden Euro eingebracht hat. Geld, das die Firmenspitze in Forschung und Entwicklung investieren will – zum Unmut einiger Aktionäre, die eine Sonderdividende verlangt haben. Im Grunde haben sie die auch bekommen. Sie hieß nur nicht so.

Rekord-Dividende, höhere Managergehälter

Auf der anderen Seite versinnbildlicht die Trennung von der Airbus Group, wie EADS inzwischen heißt, auch die Gesundung von Daimler. Nach zwei Jahrzehnten ist der Ausflug in die Luft- und Raumfahrt damit beendet. 2000 hatte Daimler als größter Einzelaktionär (dreißig Prozent) diesen Konzern aus der Taufe gehoben. Es war noch mitten in der Phase der Gigantomanie.

Die große Expansion des Autokonzerns hatte in den achtziger Jahren unter Edzard Reuter begonnen: Daimler kaufte oder baute neue Geschäftszweige auf. Neben Luft- und Raumfahrt auch Schienenverkehr (Adtranz) oder Elektrotechnik (AEG). 1998 hatte Jürgen Schrempp den nun größten deutschen Industriekonzern mit dem strauchelnden US-Konzern Chrysler fusioniert.

Die Zusammenarbeit entwickelte sich nicht nach Plan. Nennenswerte Synergieeffekte gab es nicht. Der Börsenwert des Industrieriesen sank und sank. 2007 stieg Daimler wieder bei Chrysler wieder aus und konzentrierte sich fortan auf sein Kerngeschäft: Autos. Hinter der Firma lag ein verlorenes Jahrzehnt.

Inzwischen kann Daimler wieder als deutsches Vorzeigeunternehmen betrachtet werden. Das Attribut „deutsch“ bezieht sich auf die gesamte Firmenstruktur: Die absolute Mehrheit (61 Prozent) der Daimler-Mitarbeiter wird im Heimatland beschäftigt. Im restlichen Europa sind es zwölf und in den USA sieben Prozent. Und die Aktionärsstruktur? 32 Prozent der Aktien gehören Deutschen, 31 Prozent nichtdeutschen Europäern, 24 Prozent halten Amerikaner, gefolgt von fast sieben Prozent Saudis.

Zur neuen Schuster-bleib-bei-deinem-Leisten-Firmenphilosophie gehört auch, daß die Töne leiser geworden sind, daß das Unternehmen unbedingt zu „verjüngen“ sei. Gemeint ist das Image der Marke, das sich vom Durchschnittskäufer absetzen soll. Firmenchef Dieter Zetsche prahlte vor einer Woche auf der Hauptversammlung: „Mercedes Benz ist bei Facebook die Marke mit dem größten Zulauf.“

Die Wahrheit ist: Der Käufer des Mercedes-Benz ist in der Regel grauhaarig, männlich und gut bei Kasse. Arm, aber sexy sieht anders aus. Die Führungsetage hält nicht mehr krampfhaft an der Strategie fest, daß sie sich von dieser Zielgruppe lösen muß. Die Autos beinhalten immer mehr Technik, die das Fahren und Einparken nicht zuletzt für Senioren einfacher machen. Im Zeitalter des demographischen Wandels ist das wohl die richtige Vorgehensweise.

Die junge Zielgruppe wird mit dem Smart und Car2go bespielt. Seit dem Marktstart hat Mercedes 1,5 Millionen Smart verkauft. Ab Sommer wird eine neue Baureihe produziert. Der Smat wird breiter und schwerer und kommt auch wieder als Viertürer. Das andere Geschäftsfeld mit Wachstumsperspektive ist Car-Sharing. Car2go hat bereits 600.000 registrierte Kunden und ist aus deutschen Großstädten kaum noch wegzudenken. „Wir sind Marktführer in diesem Bereich“, heißt es stolz im Geschäftsbericht. Miniautos stundenweise vermieten – das ist nicht so spektakulär wie Airbus, aber ertragreicher. Daimler ist geerdet und zurück im Geschäft.

Foto: Smart (r.) und Kleinwagenkonkurrenten von Fiat und BMW: Der Smart kommt mit zwei neuen Modellen, die weniger verbrauchen sollen

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