© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/14 / 25. April 2014

Hamburger Denkmalstreit
Geschichtspolitik: Das Gefallenenehrenmal am Dammtorbahnhof soll nach dem Willen des Senats um eine Gedenkstätte für Deserteure erweitert werden
Falko Teuber

Eine schwarze Gedenktafel erinnert auf dem ehemaligen Schießplatz Hamburg-Höltigbaum an die wegen „Fahnenflucht“ und „Wehrkraftzersetzung“ hingerichteten Soldaten. Hier, am Stadtrand Hamburgs, wurden bis zum 28. April 1945 mindestens 330 Wehrmachtsangehörige erschossen.

Nach Lesart linker Initiativen ist der Höltigbaum damit ein Tatort, an dem Verbrechen der deutschen Militärgerichtsbarkeit begangen wurden. Aber der Ort hat einen „Nachteil“: „Da kommt nie einer hin“, bedauert René Senenko von der Geschichtswerkstatt der Willi-Bredel-Gesellschaft. Zusammen mit anderen Initiativen plädiert er daher für ein zentrales Denkmal. Es soll in einer Parkanlage in der Nähe des Dammtor-bahnhofs entstehen. Der Ort ist mit Bedacht gewählt: Dort steht bereits das „76er-Denkmal“, das nach dem Ersten Weltkrieg von ehemaligen Angehörigen des 76. Infanterieregiments für ihre gefallenen Kameraden gestiftet wurde.

Linke Kreise bezeichnen das aus Muschelkalk bestehende hellgraue Werk des Bildhauers Richard Kuöhl von 1936 gern als „Kriegsklotz“. Seit Jahrzehnten kämpfen sie vergeblich mit allen Mitteln für dessen Entfernung, kaum ein Bauwerk Hamburgs wird so häufig mit Farbe beschmiert. Für Reinigung und Unterhalt des Ehrenmals, das Hamburgs offizieller Gedenkstättenwegweiser als „Denkmal in Vorbereitung eines neuen Weltkrieges“ bezeichnet, kommt indes nicht die Stadt, sondern seit Jahren der private „Bund für Denkmal-Erhaltung e.V.“ auf.

Mehrere linke Gruppen um das „Bündnis für ein Hamburger Deserteursdenkmal“ forderten nun die Umwidmung dieses „Kriegerdenkmals“ in ein Mahnmal für Fahnenflüchtige. Bereits 2012 enthüllte die Protestgruppe als Symbol für einen Deserteur den Schattenriß eines in Gegenrichtung zu seinen Kameraden marschierenden Soldaten.

Hrdlickas unvollendetes Kunstwerk

Die Diskussion ist nicht neu. Der Wiener Künstler Alfred Hrdlicka schuf bereits vor fast 30 Jahren ein Gegendenkmal. Es steht seit 1985 wenige Meter vom 76er-Denkmal entfernt. Die mehrteilige Bronzeskulptur sollte die Folgen des Krieges („Hamburger Feuersturm“, „Verfolgung und Widerstand“, „Soldatentod“, „Frauenbild im Faschismus“), für dessen Beginn der „Kriegsklotz“ stehe, darstellen. Doch da es Streit ums Geld gab, hat der 2009 verstorbene Hrdlicka nur einen Teil seines raumgreifenden Entwurfs umgesetzt. Aber das unfertige Denkmal ist dem Senat und den jetzigen Protestgruppen dennoch nicht genug und so planen ein drittes Denkmal.

Allerdings ist die Thematik der neuen Gedenkstätte noch unklar. Der Senat will nicht nur die Deserteure würdigen, sondern auch andere Opfer der Justizbehörden der Wehrmacht, wie etwa Kriegsgefangene. Linke Gruppen sprechen sich hingegen für eine deutlich erweiterte Widmung aus. Nach ihren Vorstellungen soll es nicht mehr nur um Fälle der Wehrmachtsjustiz gehen. In welche Richtung es gehen soll, deutete Detlef Mielke von der „Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegnerinnen“ an. Er verwies darauf, daß es in Deutschland derzeit zahlreiche Deserteure gäbe, „die meisten in der Erscheinungsform von Migranten.“ Der Ort würde so auch in ein Mahnmal für Zuwanderer verwandelt.

Aktuell ist das Thema so oder so; Das Sonderdelikt Fahnenflucht ist auch heute noch Bestandteil des Wehrstrafgesetzes in Deutschland. Ein Fahnenflüchtiger wird mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. Bereits der Versuch ist strafbar. Daß, wie so oft, das Strafmaß nicht ausgeschöpft wird, zeigt das Beispiel des heutigen Berliner Gesundheits- und Sozialsenators Mario Czaja (CDU), der wegen zweimaliger Fahnenflucht zu einer Geldstrafe von 2.000 Mark verurteilt wurde. Sowohl das Gericht wie auch das Kreiswehrersatzamt standen dem rechtskräftig Verurteilten wohlwollend gegenüber, da es sich um ein „Mißverständnis“ gehandelt habe.

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