© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/14 / 25. April 2014

Händler des Zweifels
Das Umweltbundesamt hat die Struktur „klimaskeptischer“ Argumente untersucht
Christoph Keller

Im Aprilheft ihres Hausorgans Umwelt (4/2014) leiten die Mitarbeiter, die im Bundesumweltministerium im Referat „Internationaler Klimaschutz“ tätig sind, ihren Beitrag über Emissionsreduktionen in den Schwellenländern mit Sätzen ein, die wie ein Glaubensbekenntnis klingen: „Noch einmal in aller Deutlichkeit: Das Klima ändert sich, und diese Änderungen beruhen auf menschlichen Einflüssen. Der im Herbst 2013 veröffentlichte Teilbericht des Weltklimarats (IPCC) zu den naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels belegt dies noch einmal sehr deutlich. Hauptursache ist insbesondere die Freisetzung von Kohlendioxid. Soll die globale Erwärmung auf unter zwei Grad Celsius (…) gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden, muß der Ausstoß von Treibhausgasen deutlich sinken.“

Wer an diesen Aussagen zweifelt oder sie für schlichtweg falsch hält, ist ein „Klimaskeptiker“ oder „Klimaleugner“. Für einen Großteil dieser Randgruppe ist der erzielte wissenschaftliche Konsens über die Ursachen globaler Erwärmung aber nicht nur falsch, sondern sogar von Klimaforschern in verschwörerischer Absicht gefälscht.

Auf diese „Verschwörungstheorie“ hat das Umweltbundesamt (UBA) 2013 unter dem Titel „Und sie erwärmt sich doch“ die klimaskeptischen Standardeinwände katalogisiert, sie Punkt für Punkt zu widerlegen versucht und diesen Konterangriff ins Netz gestellt. Wie die Augsburger Kommunikationswissenschaftler Helena Bilandzic und Jens Soentgen in ihrer Studie über „Die Struktur klima­skeptischer Argumente“ (Gaia, 1/2014) monieren, bedienten sich die regierungsamtlichen Umweltschützer dabei leider selbst des Konspirationsverdachts, da sie es sich im Zuge einer „Gegenemotionalisierung“ nicht verkneifen konnten, das klimaskeptische Lager als Agentur der Ölindustrie zu diffamieren. Daß finanzielle Motive primär bei US-Klima-skeptikern, von denen manche offen als Industrielobbyisten agieren, mehrfach nachzuweisen waren, auch ihre engen Beziehungen zu den Denkfabriken der Republikanischen Partei, dürfe eine Behörde wie das UBA indes nicht dazu verführen, Autoren, die ihre Positionen als „Händler des Zweifels“ aus ehrlicher Überzeugung vertreten und für ihre abweichende Meinung womöglich soziale Nachteile in Kauf nehmen, „niedere (finanzielle) Motive zu unterstellen“.

„Außerhalb wissenschaftlich diskutierbarer Positionen“

Bilandzic und Soentgen wollen sich hingegen mit dem Phänomen Klima­skepsis im emotionslos nüchternen Verfahren der Diskursanalyse befassen. Zu diesem Zweck untersuchten sie 73 englisch- und 24 deutschsprachige Sachbücher, die die geläufige Kausaldiagnose der Klimaforschung ablehnen und „alternative Erzählungen“ zum Klimawandel offerieren. Deren Autoren hielten sich stets an vier typische Argumentationsmuster, in denen 1. das Phänomen Klimawandel, 2. die Ursachendiagnose der „herrschenden Meinung“, 3. die negative Bewertung der globalen Erwärmung und 4. deren Therapie, die angemahnten Maßnahmen zur Reduktion der Emissionen, in Zweifel gezogen würden.

Schon die erste Durchsicht des Materials zeige, daß das Etikett „Klimaskeptiker“ nicht recht passe. Denn Skeptiker im klassischen Sinn üben unentschiedene Zurückhaltung im Urteilen, während klimaskeptische Publizisten ganz entschieden für ihre Meinung kämpften, also eher Dogmatiker seien. Entsprechend sei der Ausgangspunkt der meisten klimaskeptischen Sachbücher ein „mehr oder weniger tendenziöses Referat“ der IPCC-Ansichten über die Ursachen globaler Erwärmung. Viele Autoren versuchten demgegenüber die Bedeutung der minimalen CO2-Menge in der Atmosphäre herunterzuspielen, da eine so „winzige Quantität“ nicht die vom Weltklimarat behaupteten Effekte haben könne.

Beliebt sei auch der Griff in die Klimageschichte, denn auch das Mittelalter, eine Ära ohne industrielle Treibhausgas­emission, kannte ein Wärmeoptimum. Was wir im 20. und 21. Jahrhundert erleben, lasse sich mithin als natürliche Variabilität des Klimasystems verstehen. Als Trumpfkarte gegen „die Etablierten“ werde ebenso gern die Sonne gezückt, die einen ungleich größeren Einfluß auf Klimaänderungen habe als minimale CO2-Mengen. Insgesamt stünden die dogmatisch fixierten IPCC-Kritiker mit solcher Argumentation „außerhalb wissenschaftlich diskutierbarer Positionen“.

Als ähnlich indiskutabel schätzen die Augsburger Fachleute für Umweltkommunikation die Erklärungen ein, die Klimaskeptiker auf die Frage geben, warum Klimaforscher und Politiker sich weltweit „verschworen“ haben, um die Öffentlichkeit zu täuschen. Das oft angeführte Motiv, es ginge ihnen um Forschungsgelder, Lehrstühle, Karriere, ist tatsächlich wenig überzeugend. Anders steht es mit dem Motiv, dem „Klima-Jakobinismus“ beim Umbau der Gesellschaft in den Arm fallen zu wollen. Denn zweifellos hat die Klimadiskussion soziale Konsequenzen, die im Zeichen der deutschen Energiewende bereits in Gesetzen und Verordnungen spürbar sind.

Warnungen vor linkem Umsturz im Öko-Tarnkleid

Bilandzic und Soentgen gefallen sich darin, gerade diese Argumentation fast ins Lächerliche zu ziehen, indem sie als alarmistische Übertreibungen vor allem in den USA kursierende Warnungen vor einem „linken Umsturz“ im ökologischen Tarnkleid kolportieren.

Trotzdem neigen sie nicht dazu, die öffentliche Resonanz der Klimaskepsis zu unterschätzen. Alarmierend sei schon gewesen, daß Michael Crichtons Roman „State of Fear“, der klimaskeptische Sachbuchelemente enthalte, 2004 mit 1,5 Millionen Auflage startete. Stagniere die weltweite Durchschnittstemperatur trotz erhöhter CO2-Emissionen auch in der nächsten Dekade, so wie dies der IPCC-Bericht vom Herbst 2013 für die Zeit seit 1998 meldete, stiegen zudem die individuellen Kosten der Energiewende und stoße die „Verspargelung“ der Landschaft durch Windräder auf immer heftigere Widerstände, nehme die „Offenheit“ für klimaskeptische Positionen unweigerlich zu.

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