© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/14 / 02. Mai 2014

Das Geld der alten Dame
Europawahl: Die Themen der Bundestagsparteien sind seltsam austauschbar – dabei gäbe es eine Menge, über das sie mit den Wählern sprechen könnten
Paul Rosen

Bei den Wahlwerbespots der Bundestagsparteien sollen sich die Leute wohlfühlen. Deshalb ist bei der CDU zum Beispiel die deutsche Leihstimme des amerikanischen Schauspielers Bruce Willis zu hören. Der Gang zu den Europawahlurnen am 25. Mai soll zum schönen Erlebnis werden. Die Themen wirken auf seltsame Weise austauschbar. Dabei gäbe es genug, worüber mit den Wählern gesprochen werden könnte.

So rechnete die Allianz-Versicherung zum Beispiel vor, daß die deutschen Sparer durch die Niedrigzins-Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) 5,8 Milliarden Euro jährlich verlieren. Was das im Einzelfall bedeutet, wird am Beispiel einer älteren Dame klar, die sich zu Beginn des Jahres wieder zur Sparkasse aufmachte, um die Zinsen auf ihr Sparbuch gutschreiben zu lassen. 3.000 Euro hat die Dame auf dem Sparbuch, und dafür schrieb die Sparkasse 4,50 Euro Zinsen gut. Das entsprach einem Zinssatz von 0,15 Prozent.

Früher, als Deutschland mit der Mark noch eine recht stabile Währung und ein geordnetes Finanzsystem hatte, hätte die Dame auf ihre knapp 6.000 D-Mark rund 180 D-Mark Zinsen (drei Prozent) erhalten statt wie jetzt knapp neun Mark. Dagegen strichen die Sparer in Spanien nach Berechnungen der Allianz Zinsgewinne in Höhe von 11,5 Milliarden Euro ein, die sie früher nicht hatten. Die Italiener profitierten mit 12,5 Milliarden Euro.

Inzwischen liegt das Durchschnittsvermögen italienischer Haushalte nach einer EZB-Studie mit 275.000 Euro weit höher als das deutscher Haushalte mit 195.000 Euro. Und der deutsche Nettobeitrag (das ist das Geld, das die Bundesrepublik ohne Wiedersehen in Form von EU-Zuschüssen nach Brüssel überweist) steigt in diesem Jahr um eine auf zehn Milliarden Euro. Frankreich (6,4 Milliarden) und Italien (5,9) zahlen erheblich weniger. Das Thema EU-Beiträge wird in der Debatte völlig ausgeblendet. Dabei kommt es hier zu abenteuerlichen Steigerungsraten. Der deutsche Bruttobeitrag an die EU-Kassen stieg seit 2009 von 16,573 Milliarden Euro auf 25,574 Milliarden im vergangenen Jahr, ohne daß dies vom Bundestag beschlossen oder wenigstens debattiert worden wäre.

Halbherziger Einsatz für die deutsche Sprache

Auch für einen stärkeren Gebrauch der deutschen Sprache in der EU, wo Deutsch die am häufigsten gesprochene Sprache ist, gab es nur noch von der CSU einen halbherzigen Einsatz. Die anderen Parteien ignorieren das Thema, obwohl ihre Abgeordneten auch ständig erfahren, daß der Bundestag nur noch in den seltensten Fällen von der EU-Kommission oder anderen europäischen Einrichtungen mit Dokumenten in deutscher Sprache versorgt wird. Dies führt dazu, daß letztlich Vorlagen zugestimmt wird, deren genauer Inhalt nicht verstanden wird. Nach Angaben des Bundestagsvizepräsidenten Johannes Singhammer (CSU) in der Main-Post wurde die Zahl der Deutsch-Übersetzer im EU-Ministerrat auf 26 halbiert. Damit wird es wohl kaum zu einer schnelleren Versorgung mit EU-Dokumenten in deutscher Sprache kommen.

Ein anderes Beispiel: Längst hat sich die Rolle der EZB geändert. Ihren Auftrag, für Geldwertstabilität zu sorgen, verfolgt sie nicht mehr, sondern stellt Banken Geld zum Nulltarif zur Verfügung, die es dann an kredithungrige EU-Staaten weiterreichen. Jetzt soll diese EZB auch noch die Banken, denen sie Geld zur Verfügung stellt, beaufsichtigen. Das ist für sich genommen schon ein Unding. „Die EZB ist als Notenbank nicht die richtige Institution dafür“, sagt der deutsche Sparkassen-Präsident und frühere CSU-Politiker Georg Fahrenschon und fährt fort: „Wenn sie jetzt aus ihrem Sonderstatut etwa beansprucht, daß jeder Akteur künftig in englisch arbeitet und wir uns in Deutschland vom Handelsgesetzbuch zu trennen haben, um nach internationalen Vorgaben zu bilanzieren, dann ist das ein Holzweg.“ Fahrenschon erläutert: „Wir arbeiten auf deutsch, unsere Kunden denken deutsch.“ Aber er ist ein einsamer Rufer gegen den EZB-Versuch, daß in Zukunft Sparkassen- und Volksbankenmitarbeiter mit der Aufsichtsbehörde in englischer Sprache zu kommunizieren haben.

CSU-Vize Peter Gauweiler bringt die Sache auf den Punkt: „Das Wesen von kolonisierten Völkern ist, daß sie mit ihrer Obrigkeit in einer fremden Sprache reden müssen”.

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