© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/14 / 02. Mai 2014

Schlüters Rückkehr im Zeitalter des Betons
Bode-Museum: Eine Ausstellung über den Barockbaumeister flankiert den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses
Marcus Schmidt

Andreas Schlüter kehrt nach Berlin zurück. Still und heimlich hatte der Barockbaumeister 1713 die preußische Residenz verlassen. Zu diesem Zeitpunkt lag seine glanzvolle Berliner Karriere bereits in Trümmern, nachdem der Rohbau seines imposanten Münzturms für das von ihm geschaffene Stadtschloß im sumpfigen märkischen Untergrund versunken war und abgebrochen werden mußte. Über diese Schmach kam der einst gefeierte Baumeister nicht mehr hinweg. Nur ein Jahr nachdem der 1659 oder 1660 in Danzig geborene „Michelangelo des Nordens“ Berlin den Rücken gekehrt hatte, starb er an seiner neuen Wirkungsstätte Sankt Petersburg.

Doch 300 Jahre später erlebt Berlin die Renaissance Schlüters. Seit Sommer vergangenen Jahres läuft der Wiederaufbau des Stadtschlosses. Das erschließt sich im Stadtbild allerdings noch nicht auf den ersten Blick. Dort wo einst Schlüters hochfliegende Pläne das Opfer des tückischen Berliner Baugrundes wurden, wachsen derzeit ziemlich unansehnliche graue Wände aus Beton empor. Von beschwingtem, kraftvollem Barock weit und breit keine Spur. Würde der Bau jetzt eingestellt, er ließe sich nicht vom Rohbau der Hauptzentrale eines Schweizer Pharmakonzernes unterscheiden, spottete denn auch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung. Bis Ende des Jahres soll der Kern des Schlosses stehen – und dann kommt endlich Andreas Schlüter ins Spiel. Bereits jetzt arbeiten Steinmetze in der Schloßbauhütte in Spandau an den Bauteilen für die historische Schloßfassade nach den Plänen des Barockbaumeisters.

Den künstlerischen Weg Schlüters zu seinem architektonischen Hauptwerk zeichnet schon jetzt eine bemerkenswerte Ausstellung im Bode-Museum nach. Insgesamt 230 Objekte, von Skulpturen über Gemälde und Graphiken bis hin zu Bauplastiken, haben die Museumsmacher hierfür zusammengetragen und vermitteln so zugleich ein plastisches Bild des barocken Berlin, das kaum ein zweiter Künstler so nachhaltig geprägt hat wie Schlüter.

Dabei steht nicht alleine der Architekt im Mittelpunkt. Breiten Raum nimmt sein bronzenes Reiterstandbild des Großen Kurfürsten ein, das bis zum Zweiten Weltkrieg auf der vom Schloßplatz über die Spree führenden Langen Brücke stand. Heute reitet der Große Kurfürst im Ehrenhof von Schloß Charlottenburg, während eine Kopie in der Kuppelhalle des Bode-Museums zu sehen ist. Die Ausstellung zeigt die Vorbilder des Meisterwerkes, wie etwa eine verkleinerte Nachbildung des antiken Reiterdenkmals des römischen Kaisers Marc Aurel und vor allem Kopien des während der Französischen Revolution zerstörten Standbildes Ludwigs XIV., von François Girardon. Das Kunstwerk, von dem der erhaltene monumentale linke Fuß gezeigt wird, ist nicht nur wegen seiner künstlerischen Vorbildfunktion für Schlüters Standbild von Bedeutung. Für den Guß des Kurfürsten warb Berlin zudem den besten Bronzegießer aus der Pariser Gießerei ab, die zuvor bereits den Sonnenkönig in den Sattel gehoben hatte.

Ein eigener Raum in dem vor einigen Jahren prachtvoll restaurierten Bode-Museum ist Schlüters eindrucksvollen Kopftrophäen gewidmet, die zu seinen ersten Arbeiten in Berlin zählten und noch heute unweit der Ausstellung im Innenhof des Zeughauses zu bewundern sind. Die ausdrucksstarken Bildhauerarbeiten, gemeinhin als Masken sterbender Krieger bekannt, zählen nach den Verheerungen des zwanzigsten Jahrhunderts zugleich zu den letzten verbliebenen Zeugnissen Schlüters in Berlin. Zu den neben dem Stadtschloß schmerzhaftesten Verlusten gehört ohne Zweifel die im Krieg zerstörte Villa Kamecke in der Dorotheenstraße, von der in der Ausstellung die von Schlüter geschaffenen Dachfiguren gezeigt werden.

Höhepunkt der Schau ist jedoch Schlüters Stadtschloß, das durch ein eindrucksvolles Modell im Maßstab 1:100 erlebbar wird. Daneben vermitteln zahlreiche Gemälde, Zeichnungen und Fassadenaufrisse einen Eindruck von der Wirkung des monumentalen Barockbaues. Dadurch erhält der Besucher zugleich einen Vorgeschmack darauf, was Berlin erwartet, wenn in wenigen Monaten die Rekonstruktion der barocken Fassade beginnt und der „Verwaltungsbau aus Beton“ nach und nach hinter verputzten Ziegelmauern und Sandsteinschmuck verschwindet. Anhand der Gegenüberstellung von erhaltenen Fragmenten der Fassade und bereits angefertigten Kopien für den Wiederaufbau schlägt die Ausstellung zugleich einen direkten Bogen ins Heute. Vor dem Bode-Museum können die Besucher zudem einem Bildhauer der Schloßbauhütte bei der Arbeit zuschauen und so miterleben wie die künstlerische Idee Schlüters in das 21. Jahrhundert übertragen wird.

Daß Schlüter, der an der Spree nicht nur eine von seiner Bauplastik bestimmte Schloßfassade, sondern ein barockes Gesamtkunstwerk geschaffen hat, macht die Ausstellung ebenfalls deutlich. So wird als Beispiel für die verlorengegangene prachtvolle Innenausstattung das einst im Rittersaal des Schlosses als Teil der Wanddekoration ausgestellte Große Silberbuffet präsentiert, das heute in Schloß Köpenick gezeigt wird. Da die tragenden Wände des Schloßneubaus so konzipiert sind, daß die wichtigsten Prunksäle wiederhergestellt werden können, kann das Buffet vielleicht eines Tages wieder in den rekonstruierten Rittersaal des Schlosses zurückkehren. Ganz im Sinne Andreas Schlüters.

Die Ausstellung „Andreas Schlüter und das barocke Berlin“ ist bis zum 13. Juli im Bode-Museum, Am Kupfergraben, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, Do. bis 20 Uhr, zu sehen. Der Eintritt kostet 12 Euro (ermäßigt 6 Euro). Telefon: 030 / 2 66 42 42 42

www.smb.museum/home.html

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