© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/14 / 02. Mai 2014

Frisch gepresst

Jens Jessen. Er sei ein „guter Hasser“ gewesen. In seinem Abscheu gegenüber dem NS-Führungspersonal habe er selbst Ulrich von Hassell „wesentlich“ übertroffen, wie der Publizist Paul Fechter in seinen Erinnerungen an die Berliner Mittwochsgesellschaft notierte. Als der Nordschleswiger Bauernsohn Ende 1939 in diesen elitären Kreis von Gelehrten, hohen Beamten und Offizieren aufgenommen wurde, mußte er von den nationalkonservativen Mitgliedern wie von Hassell, Johannes Popitz oder Ludwig Beck nicht erst für den Widerstand gegen Adolf Hitler rekrutiert werden. Denn bald nach 1933 wandelte sich der brillante Nationalökonom, der lange der NSDAP als volkwirtschaftlicher Berater gedient hatte, zum Kritiker des Regimes. Seit 1935 Ordinarius in Berlin, zählte „Nordmann“, wie von Hassells Deckname für ihn lautete, ab 1939 zu den entschiedensten Befürwortern eines gewaltsamen Umsturzes. Zu Leben und Werk Jessens liegt seit 2001 Regina Schlüter-Ahrens’ gründliche Monographie vor (JF 11/02). Dieser wissenschaftshistorischen Arbeit stellt der Journalist Søren Flott nun eine lockere Nacherzählung der Biographie Jessens zur Seite, die eine erste Bekanntschaft mit dem am 30. November in Berlin-Plötzensee hingerichteten Widerstandskämpfers vermitteln kann. (wm)

Søren Flott: Der Mann, der Hitler töten wollte. Jens Peter Jessen – ein vergessener Verschwörer. Husum Verlag, Husum 2014, broschiert, 190 Seiten, 14,95 Euro

 

Herrschaft. In ihrem Tagungsband „Macht und Spiegel der Macht“ versammeln die Herausgeber Norbert Kersken und Grischa Vercamer zwei Dutzend anspruchsvolle Studien einer Konferenz des Deutschen Historischen Instituts in Warschau von 2011, die sich mit einem ewig aktuellen Thema befassen: Macht und Herrschaft. Die Beiträger konzentrieren sich auf die Wahrnehmung und Beschreibung von Herrschern und Herrschaftsverhältnissen des europäischen Mittelalters. Leitend war für sie dabei die nach 1945 außer Kurs gesetzte These, daß es erhebliche nationale Unterschiede in der Geschichtsbetrachtung und Herrschaftsdeutung auch schon bei den mittelalterlichen Chronisten gab, je nachdem, in welchem Kulturraum und unter welchen Herrschaftstraditionen sie über Machtausübung reflektierten. (ob)

Norbert Kersken, Grischa Vercamer (Hrsg.): Macht und Spiegel der Macht. Herrschaft in Europa im 12./13. Jhdt. vor dem Hintergrund der Chronistik. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2013, gebunden, 491 Seiten, 64 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen