© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/14 / 09. Mai 2014

Jean-Claude Juncker – Was Martin Schulz den Sozial-, ist er den Christdemokraten.
Der Kandidat
Michael Paulwitz

Der Mann kann’s einfach nicht lassen. Eben erst widerwillig den Vorsitz der Euro-Gruppe abgegeben und als dienstältester Ministerpräsident Europas abgewählt, da läßt sich Jean-Claude Juncker schon zum Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei ausrufen, zu der auch die CDU/CSU gehört. Als Prämie winkt der Posten des EU-Kommissionspräsidenten.

Luxemburg war dem 1954 quasi als Berufspolitiker geborenen Christdemokraten schon immer etwas zu klein. Für die ganz großen europäischen Würden hat es trotzdem nie gereicht, auch wenn Juncker als ewiger Finanzminister und Premier des Großherzogtums gleich zweimal den Vorsitz im Rat der Regierungschefs hatte.

Immerhin war er, 2004 bis 2013, erster ständiger Vorsitzender der Euro-Gruppe. Sein liebster Posten; dreimal ließ er sich seine Amtszeit per Ausnahmebeschluß verlängern und trat mehrmals vom angekündigten Rücktritt wieder zurück. Den Euro verteidigt Juncker, seinerzeit als Luxemburger Weltbank-Gouverneur ein Hauptarchitekt des Maastricht-Vertrags, mit allen Tricks und Kniffen. „Wenn es ernst wird, muß man lügen“, gestand er – die goldene europäische Politikerregel hängt untrennbar an „Mister Euro“.

Die großen Nationalstaaten stutzen und den EU-Superstaat vorantreiben: Das ist die Mission des ehrgeizigen Strippenziehers, der sich selbst als „Konsensmaschine“ Europas sieht. Den Niederungen der heimischen Kleinstaaten-Politik ist Juncker auf den Brettern der großen Euro-Welt derweil entschwebt. Weil ein Untersuchungsausschuß ihn für eine alte Geheimdienst-Abhöraffäre verantwortlich machte, mußte er letzten Herbst nach achtzehn Jahren den Premierminister-Sessel räumen.

Aber seine Bühne ist ja sowieso Europa. Wie EU-Konsensmaschinen so funktionieren, hat der „politische Wiederkäuer“ – noch eine seiner nur halb scherzhaften Selbstbezeichnungen – selbst einmal verraten: Etwas auskungeln und abwarten – „wenn es dann kein großes Geschrei gibt, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, machen wir weiter, Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.“

Als Lieblingseuropäer Helmut Kohls genoß Juncker in Unionskreisen zeitweise Kultstatus. Der ist etwas verblaßt, seit man sogar bei der CDU gemerkt hat, daß hinter all den Europa-Sprüchen auch nur Luxemburger Eigeninteressen stehen: Eurobonds – ja gerne; höhere Zinsen für gemeinsame Euro-Anleihen jucken Luxemburg wenig, es hat kaum Schulden, aber jede Menge Banken, die am Euro-Staatsschuldenkarussell kräftig verdienen.

Gleichwohl wird Juncker aus Deutschland unverdrossen mit Auszeichnungen überschüttet. Selbst die breite Brust eines Sowjetmarschalls würde nicht ausreichen, die alle zu tragen. Das 2004 verliehene „Goldene Schlitzohr“ steht ihm von allen wohl am besten.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen