© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/14 / 09. Mai 2014

„Die Leute suchen nach Alternativen“
Europawahl II: Mit einem Kongreß in Berlin versucht die christlich-konservative AUF-Partei ihre Anhänger zu mobilisieren
Lion Edler

Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Dreiprozenthürde zur EU-Wahl gekippt hat, hoffen eine ganze Reihe kleinerer Parteien (siehe auch Seite 7), diese Gelegenheit beim Schopfe ergreifen zu können. Darunter befindet sich auch die christlich-konservative AUF-Partei („Arbeit – Umwelt – Familie – Christen für Deutschland“). Am vergangenen Wochenende zeigte sich die Partei bei ihrer zentralen Kundgebung zur Europawahl in Berlin hoffnungsvoll, daß am 25. Mai der überraschende Einzug ins EU-Parlament gelingen könnte – es wäre freilich eine Sensation.

Für viele der idealistischen Mitstreiter der AUF ist es offenbar keine Option, sich aus Pragmatismus einer erfolgreicheren Partei anzuschließen. Verwässerungen des christlichen Menschenbilds will man hier konsequent verhindern. „Es geht nicht in erster Linie um mich, sondern es geht in erster Linie um Gott“, sagt der brandenburgische Pfarrer Prinz Philip Kiril von Preußen bei der AUF-Kundgebung. Der sechsfache Familienvater sieht die Gesellschaft durch Individualismus und Gottlosigkeit bedroht. „Ohne Sonnenschein und Gott geht die LPG bankrott“, erinnert er augenzwinkernd an eine DDR-Volksweisheit.

Der Journalist Michael Ragg, der sich hinter der 89 Jahre alten Psychotherapeutin und Autorin Christa Meves auf Listenplatz zwei für die EU-Wahl bewirbt, hält mit dezidierten Ansichten ebenfalls nicht hinterm Berg. „Die kleinen Kinder werden damit traumatisiert, daß man ihnen sagt, es sei ja gar nicht klar, ob sie Männlein oder Weiblein sind“, wettert Ragg gegen den „Bildungsplan“ in Baden-Württemberg. Besorgt ist Ragg auch über die massenhaften Abtreibungen in Deutschland – für den AUF-Politiker ein „breiter Angriff auf das Lebensrecht“, dem die CDU nicht entgegentrete.

Stärkung der Familie

In die CDU-interne Gruppierung „Christdemokraten für das Leben“ (CDL) setzt Ragg denn auch keine Hoffnungen. „Was hat die denn in 30 oder 40 Jahren erreicht in der CDU? Nicht einmal eine Verlangsamung des Tempos.“ Doch auf AUF-Veranstaltungen will Ragg bemerkt haben, „daß der Wind sich gedreht hat“. Ein Bundestagsabgeordneter der CDU habe ihm erklärt, daß er diesmal bei der EU-Wahl die AUF-Partei wählen werde. „Ich darf den Namen nicht nennen, leider.“

Auch wenn die AUF nicht ins EU-Parlament einziehen sollte, so ist sie eines von vielen kleinen Symptomen dafür, daß die CDU ihre konservative Stammklientel immer weniger binden kann. Immerhin konnte die AUF sogar den ehemaligen CDU-Ministerpräsidenten Werner Münch als Unterstützer gewinnen. „Ich beichte das auch nicht“, sagt Münch, „ich beichte höchstens, daß ich mal 38 Jahre in der CDU gewesen bin.“ Auch die AfD ist für Münch „keine Alternative“. Bei der Bundestagswahl 2013 habe er noch die AfD gewählt, „weil ich dachte, sie sei auf einem Wege hin zu christlichen Werten“. Schließlich habe es „sehr erfreuliche“ Entwicklungen in Baden-Württemberg gegeben, spielt Münch auf die Proteste gegen den Bildungsplan an. Doch letztlich sei die AfD zu „heterogen“; niemand wisse letztlich, „wohin sie sich entwickeln wird“.

Diesbezüglich bleiben bei Münch freilich keine Zweifel offen. Deutschland leiste sich den Luxus, „täglich 14 Schulklassen durch Abtreibung zu vernichten“, klagt der CDU-Renegat. Die AUF müsse sicherstellen, „daß es keine embryophobe oder gar christophobe Europäische Union geben darf“. Weihnachten sei zudem „kein Sonne-Mond- und-Sterne-Fest, sondern ein christliches Geburtsfest des Herrn“.

Doch nicht nur klassische christliche Themen will die AUF zur Europawahl ansprechen. Daß der Euro nach Ansicht der Partei „auf den Prüfstand“ müsse, da durch ihn „eine Transferunion“ drohe, erinnert ebenfalls an AfD-Positionen. Die AUF plädiert für den „Vorrang des einzelnen, der Familie und des Nationalstaats“; die Souveränität Deutschlands dürfe nicht weiterhin durch die EU ausgehöhlt werden. Die AUF-Unterstützerin Cornelia Wright hat dennoch keine Sorge, daß AUF-Stimmen zur AfD abwandern könnten. „Für mich kann keine weltliche Partei eine Konkurrenz sein“, sagt Wright. Als „weltlich“ definiert sie dabei Parteien, die „nicht den christlichen Maßstab an erster Stelle haben“. Es brauche eine Partei mit einer „Ausrichtung an biblischen Werten ohne Wenn und Aber“. Als wichtigstes Thema der EU-Wahl sieht Wright die Familienpolitik und die Notwendigkeit, „daß Familie auch weiterhin unter einem besonderen Schutz steht“.

Auch für Ruth und Hermann Bessin, die aus dem saarländischen Mettlach zur AUF-Kundgebung nach Berlin angereist sind, stellt sich nicht die Frage, welches Thema im Wahlkampf am wichtigsten sein wird: „Familie. Das ist ja klar.“ Sie sei in letzter Zeit „wach geworden, wie schlimm wir eigentlich dran sind und wie die Familie unterwandert und immer mehr kaputtgemacht wird“, sagt Ruth Bessin. Den Einzug der AUF ins Europaparlament hält sie ebenfalls für möglich. „Es ist eine einmalige Chance, wir müssen sie nützen.“ Denn eines steht für sie fest: „Die Leute suchen nach Alternativen.“

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