© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/14 / 09. Mai 2014

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Giftalarm im Reichstag
Paul Rosen

Anfang April gab es Giftalarm am Reichstag. Die Feuerwehr rückte an und suchte nach der Ursache. In den Zeitungen fanden sich kleine Meldungen über den Vorfall. Von einem Fehl-alarm war die Rede. Die Sache schien erledigt – wenn davon abgesehen wird, daß auf diese Weise offenkundig wurde, wie gut unsere Politiker beschützt werden. Offenbar sind auf den wichtigsten Berliner Regierungsgebäuden Sensoren installiert, die ab einer gewissen Konzentration von Giftstoffen in der Luft Alarm auslösen. So will man sich vor Giftanschlägen schützen. Das Risiko ist nicht von der Hand zu weisen. Bei einem Giftgasanschlag der sogenannten Aum-Sekte in der U-Bahn von Tokio starben 1995 durch das Giftgas Sarin 13 Menschen. Damit wurde den Sicherheitsbehörden klar, daß Giftgasanschläge auch von Terroristen vorgenommen werden können und Giftgas nicht allein im Besitz von Diktatoren wie Syriens Herrscher Assad sein muß. Die Sekte hatte das Gift selbst hergestellt.

Inzwischen kursieren in der Berliner Feuerwehr Gerüchte, die auch ihren Weg in das Internet gefunden haben. Danach habe es sich nicht um einen Fehlalarm gehandelt, sondern die Warnanlage habe ordnungsgemäß funktioniert. Allerdings war es kein Anschlag, sondern die Schadstoffe kamen aus anderer Quelle: Einige auf dem Dach des Reichstages zur Stromerzeugung installierte Photovoltaik-Platten hätten giftige Stoffe abgesondert.

Auf den Dächern des Reichstages und der benachbarten Gebäude sind auf einer Fläche von insgesamt 3.600 Quadratmetern Photovoltaik-Platten verbaut. Der so gewonnene Solarstrom wird in das öffentliche Stromnetz eingespeist. Die Photovoltaik-Anlage ist Teil des energetischen Gesamtkonzepts der Bundestagsbauten. Damit wird das Ziel verfolgt, die Gebäude möglichst weitgehend mit regenerativer Energie zu versorgen.

Kritik an der Verwendung von Biodiesel zur Stromerzeugung im Reichstag, die in letzter Konsequenz durch Ausweitung von Anbauflächen zum Abholzen von Regenwald führen kann, wurde dabei verdrängt. Auch die Photovoltaik ist umstritten, und verschiedene Sachverständige warnen schon seit langem vor dem Austritt von gesundheitsbedrohlichen Schadstoffen aus den überwiegend in China produzierten Platten.

Alle Photovoltaik-Platten enthalten Blei, Dünnschicht-Solarmodule zudem Cadmium. Beide Substanzen sind hochgiftig. Zwar beruhigen Regierungsstellen die Bevölkerung: „Nach derzeitigem Kenntnisstand ist von intakten Modulen bauartbedingt kein Cadmium- und Bleieintrag in den Boden zu erwarten“, schreibt etwa die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft. Allerdings wird von der Behörde eingeräumt, daß bei einer Beschädigung der Module zum Beispiel durch Hagel oder Brand Gift freigesetzt wird.

Die Abgeordneten, die in der nächsten Zeit die weitere Förderung der erneuerbaren Energien zu beschließen haben, brauchen zur Inaugenscheinnahme der Risiken keine Dienstreisen zu unternehmen. Sie können mit dem Aufzug aufs Dach des Reichstagsgebäudes fahren.

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