© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/14 / 09. Mai 2014

Staat gängelt Ratingagenturen, weil er ihr Urteil fürchtet
Den Überbringer köpfen
Ronald Gläser

Ratingagenturen werden jetzt dank der Bundesregierung EU-weit reguliert. Wo kommen wir denn da hin, wenn jeder einfach seine eigene Ratingagentur aufmacht? Nun gibt es ersteinmal ein Genehmigungsverfahren: „Vor der Registrierung müssen die Ratingagenturen ein umfangreiches Prüfungs- und Genehmigungsverfahren durchlaufen.“ Künftig werden sie von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde beaufsichtigt. Der Stoff, aus dem Bürokratenträume sind: mehr Vorschriften und dazu eine neue staatliche Kontrollbehörde.

Und warum das alles? Weil der Staat auch die Risikoeinschätzung zentralisieren muß, wenn er weiter seine Schrottpapiere (im Volksmund auch: Staatsanleihen) an den Mann bringen will. Also werden Ratingagenturen zur Verursachern von Problemen umdefiniert: „Die unkritische und häufig schematische Übernahme von Ratings von Rating-Agenturen durch Unternehmen der Finanzbranche hat in der Vergangenheit häufig zu einer Fehleinschätzung der Verlustrisiken geführt.“ Dies habe zur Verschärfung der Finanzmarktkrise 2008 beigetragen. In Wirklichkeit waren Ratingagenturen immer nur der Überbringer der schlechten Nachricht. Es sind Banker und Politiker, die Fehlentscheidungen getroffen haben. Banker, indem sie leichtfertig Kredite an kreditunwürdige Schuldner vergeben haben. Politiker, indem sie den Markt verzerrt und Pleitebanken gerettet haben. Niemand, der die Arbeit einer Ratingagentur in Anspruch nimmt, kann das eigene Denken einfach ausschalten und sich von seiner Verantwortung freikaufen, wenn ein Geschäft schiefgeht.

Der wahre Grund für die Gängelung der Agenturen wird natürlich nicht mit einer Silbe in der Mitteilung zum Gesetzesvorhaben erwähnt: Die Regierung fürchtet eine Abstufung der Kreditwürdigkeit einzelner Staaten oder des ganzen ESM-Systems. Denn nach einigem Zögern haben die Agenturen ab 2009 begonnen, Staaten abzuwerten. Wenn die Ratingagenturen nun am Gängelband eines EU-Beamten hängen, dann werden sie ihre negative Einschätzung in Zukunft eher für sich behalten.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen