© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/14 / 09. Mai 2014

Mangelndes „Draufgängertum“ im Zeitalter der projektbezogenen Wissenschaft
Forscher ohne Risikobereitschaft
(wk)

Christoph Kratky, Professor für Physikalische Chemie an der Universität Graz und von 2005 bis 2013 Präsident des Wissenschaftsfonds, also des österreichischen Pendants zur Deutschen Forschungsgemeinschaft, philosophiert in der neuesten Ausgabe von Forschung & Lehre (4/2014) über die Bedeutung von wissenschaftlichen Risiken und kommt dabei zu folgendem Schluß: „Risiko ist (...) keine relevante Kategorie in der Forschung.“ Moderne Forschung sei das unspektakuläre, geduldige „Bohren sehr dicker Bretter“ – ansonsten bestehe die Gefahr einer „Baumgartnerisierung“: das Risiko verkomme dann genau wie bei dem Stratosphärensprung zum Selbstzweck, weil kein gesellschaftlicher Nutzen herausspringe. Zudem könne „heroisches Draufgängertum“ die Karriere ruinieren, da die moderne Forschung zumeist projektbezogen stattfinde und die Wissenschaftlerlaufbahn beendet sei, wenn ein Projekt scheitere. Und das sollte sich niemand antun, schließlich berge schon der Schritt, überhaupt in die Forschung zu gehen, unkalkulierbare persönliche Risiken. Insofern rät Kratky jedem ab, auf diejenigen zu hören, die von Forschern mehr Risikobereitschaft verlangen: Solche Personen wüßten nicht, was sie redeten beziehungsweise befänden sich in der komfortablen Position, das Risiko auf andere abwälzen zu können.

www.forschung-und-lehre.de

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen