© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/14 / 09. Mai 2014

Auf dem ökologischen Prüfstand
Der BUND glaubt, umweltpolitisch stecke das Land noch im späten 20. Jahrhundert
Robert Lehwald

Als Bernhard Grzimek, Horst Stern, Herbert Gruhl und Hubert Weinzierl, Pioniere des Tier- und Umweltschutzes in der Bonner Republik, 1975 den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) mitbegründeten, galten dessen Aktivisten noch als sektiererische Panikmacher und Fortschrittsfeinde. Derzeit erwartet der BUND sein 500.000. Mitglied, und er kann sich dank beachtlicher Spendeneinnahmen (2012: 80 Millionen Euro) eine schlagkräftige Organisation leisten, die „ökologische Politik“ mitgestaltet.

Entsprechend kämpferisch kündigt Olaf Bandt, Bundesgeschäftsführer „Politik & Kommunikation“ des BUND, an, „mit hohem politischen und medialen Druck“, mit „Aktionen und Demonstrationen“ dafür sorgen zu wollen, daß die Berliner Große Koalition ihre ökologischen Hausaufgaben erledigt.

Abzuarbeiten gibt es für Bandt bis 2017 eine Menge. Ungeachtet des vier Jahrzehnte währenden Lobbyismus scheint Bandts aktueller Forderungskatalog wieder in die 1970er zurückzuführen, so als fiele eben erst der umweltpolitische Startschuß. Das gilt in erster Linie für einen „Klassiker“ des ökologischen Repertoires: den Pestizideinsatz in der Landwirtschaft.

Denn schon Horst Stern und seine Mitstreiter versetzte der agrarindustrielle Giftverbrauch, der inzwischen zwei Drittel aller Tier- und Pflanzenarten in Feld und Flur auf die Rote Liste der gefährdeten Arten gedrängt hat, in Untergangsstimmung.

Dunkle Wolken über dem Problemfeld Klimaschutz

Nichts scheint sich seitdem gebessert zu haben, wenn Bandts Statistiker nun bilanzieren, daß der Absatz von Pestiziden seit 2001 um ein Drittel gestiegen sei. Im gleichen Zeitraum habe sich der Verbrauch „sonstiger“, gegen Mäuse oder Schnecken verwendeter Gifte fast verdoppelt, und auch bei den sparsamer eingesetzten Insektiziden und Milbengiften ergibt sich noch ein beängstigendes Plus von 400 Tonnen (2001: 742, 2012: 1.117 Tonnen). Allein 2012 versprühten deutsche Landwirte 6.000 Tonnen „des aggressiven Totalherbizids Glyphosat“. Seit Jahren bewege sich der Pestizidverbrauch damit „auf zu hohem Niveau“.

Diese Abhängigkeit von der Chemie resultiere aus der falschen Agrarpolitik, die an industrieller Landwirtschaft festhalte, statt den Ökolandbau zu fördern. Die Hälfte der Bioprodukte müsse Deutschland gegenwärtig importieren. Die Nachfrage nach tiergerecht erzeugter Bioware steige kontinuierlich, pro Jahr um 20 Prozent. Dagegen werde die Bundesregierung mit ihrer „Nachhaltigkeitsstrategie“ das Ziel, den Anteil ökologisch wirtschaftender Betriebe auf 20 Prozent anzuheben, nach Berechnungen des Umweltbundesamtes erst 2078 erreichen, wenn sie die Subventionen nicht endlich so umverteilt, daß sie zum Umstieg auf alternativen Landbau locken.

Eine solche Weichenstellung käme auch einem anderen Sorgenkind zugute, den nährstoffbelasteten Gewässern. Hier freue man sich zwar über seit 1990 rückläufige Einträge an Phosphaten und Nitraten. Aber im jüngsten Brüsseler Nitratbericht trage Deutschland mit seiner hohen Nitratkonzentration im Grund- und Oberflächenwasser neben Malta die EU-Schlußlaterne. Hauptverantwortlich sei die industrielle Landwirtschaft, wo bei Massentierhaltung zuviel Gülle anfalle, wo Gärprodukte aus Biogasanlagen auf dem Acker landeten, wo der Anbau von Energiepflanzen starkes Düngen erfordere. Eine Steuer auf Stickstoff, so die BUND-Experten, könne zu rücksichtsvollerem Umgang mit Nitraten erziehen.

Im wahrsten Sinne dunkle Wolken ziehen über dem Problemfeld Klimaschutz auf, das von jeher im Zentrum der Vereinsarbeit stand. Seit 2009 steigen die CO2-Emissionen wieder. Schuld daran ist die zunehmende Kohleverstromung, und seit 1991 ist noch nie soviel Braunkohlestrom im Netz gewesen wie heute. Da der Emissionshandel mit Verschmutzungszertifikaten versagt habe, sei der klimaschädliche Kohlestrom leider wieder lukrativ. 2013 lagen die Emissionen mit 85 Millionen Tonnen über dem nationalen Klimaziel. Gehe es so weiter, werde Deutschland das für 2020 angestrebte Ziel, 40 Prozent weniger Treibhausgase in die Atmosphäre zu entlassen, gewiß verfehlen.

Rückwärtsgewandte Ziele des BUND

Zudem müsse man das im Rahmen der nationalen Biodiversitätsstrategie verkündete Ziel, fünf Prozent des deutschen Waldes bis 2020 dauerhaft aus der Forstnutzung zu nehmen, heute bereits als so unerreichbar erkennen wie die Vorgabe, den täglichen Flächenverbrauch bis dahin von 70 auf 30 Hektar zu reduzieren. Ökologische Lichtblicke zeichnen sich auf diesem trüben Hintergrund allein in der Verkehrspolitik ab. Denn hier, so glaubt der BUND, sei jene lange angemahnte „umweltschonendere Mobilität längst im Entstehen“, die dem sturen Straßenbau Grenzen setzen könnte.

Bezüglich der Rückschläge, unerledigten Aufgaben und verfehlten Ziele erweckt Bandts Agenda einerseits den Eindruck als sei die Zeit umweltpolitisch spätestens 1990 stehengeblieben. Andererseits scheinen gerade die agrarökologischen Zukunftsvisionen des BUND sogar noch weiter zurück in die Vergangenheit zu führen. Werden sie Realität, sähe das ländliche Deutschland um 2050 wieder so schön aus wie zuletzt 1950. Wenigstens fast, wären da nicht Myriaden von Windrad-Spargeln als Erbe einer vom BUND enthusiastisch unterstützten Energiewende.

Foto: Die konventionelle Landwirtschaft steht im Fokus der BUND-Kritik: Forderung nach mehr Ökolandbau

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