© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/14 / 09. Mai 2014

Siegeszug eines Ausbrecherkönigs
Aus Netzkäfigen entkommene Zuchtlachse bedrohen Wildpopulationen
Olaf Eggers

Wer schon einmal das zartrosa Fleisch vom Wildlachs geschmeckt hat, dürfte die penetrant geröteten Lachsscheiben aus dem Kühlregal zeitlebens verschmähen. Trotzdem hat diese labbrige Ware den Markt beinahe vollständig erobert. Weil sie kostengünstig produziert und ganzjährig angeboten werden kann. Dank der Aquakultur, die aus Lachsfarmen Zuchtfische in beliebiger Tonnenzahl anliefert.

Vertraut man den Angaben des Wissenschaftsjournalisten Manfred Kriener (Natur, 4-2014), endet der Siegeszug des Zuchtlachses demnächst nicht bei Aldi oder Netto. Aus ihren Käfigen entkommene Tiere, allein in Norwegen seit 1993 alljährlich 450.000 Lachse, könnten nämlich ihren wilden Verwandten in höchste Bedrängnis bringen. Durch Kreuzung mit Farmlachsen werde der Genpool der Wildlachse verändert, der sich über Jahrtausende an die lokalen Ökosysteme angepaßt habe.

Den Käfigbewohnern eignet eine ganz andere genetische Ausstattung, sie sind ganz auf Wachstum getrimmt, sind aggressiver, weniger fit, haben eine geringere Fruchtbarkeit und eine reduzierte Lebenserwartung. Außerdem übertragen die „Flüchtlinge“ Krankheiten und bedrohen auch auf diese Weise ihre wilden Artgenossen.

Rufe nach neuen Sicherheitskonzepten

Fischereibiologen stufen diese außerordendliche Ausbreitung entflohener Zuchtlachse und die Entstehung fragiler Mischlingspopulationen als „ernsthafte Bedrohung“ der Bestände des Wildlachses ein.

Neue Sicherheitskonzepte für die Lachsindustrie sind daher mittlerweile das Thema großer internationaler Fachtagungen. Aquakulturfachleute zeigen sich optimistisch für den Fall, daß es gelingt, Lachsfarmen im Umfeld wertvoller Habitate mit intakten Wildpopulationen zu verbieten.

Diese Anstrengungen würden jedoch zunichte gemacht, sollte die in den USA forcierte Zulassung eines genmanipulierten „Turbolachses“ zum Erfolg führen. Dieser transgene Gigant, in großer Zahl eines Tages seinen Netzkäfigen entronnen, hätte ein viel höheres Potential als die derzeit gängigen Zuchtlachssorten, um die Wildpopulationen definitiv auszulöschen.

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